Ausgeträllert (German Edition)
ob ein Teil davon als Tatwaffe infrage kommt. So, und jetzt ist genug mit Spekulationen. Ich muss dir ja wohl nicht sagen, dass du dich da raushalten musst.«
»Hab ich mich je irgendwo freiwillig eingemischt?«, sagte ich und goss Kaffee in eine blumenverseuchte Tasse. »Prince Charles liegt noch in Einzelteilen im Zelt«, sagte ich und hätte auf der Stelle losheulen können.
»Tut mir leid für dich«, sagte Winnie, nahm mir die volle Tasse aus der Hand und trank ein paar Schlucke.
»Tja, wie gewonnen, so zerronnen«, sagte ich. »Ich wollte dir eben einen aufsetzen.«
»Danke, keine Zeit.«
Ich zündete mir eine Zigarette an. »Was sagen der Rechtsmediziner und deine Spurensicherung denn sonst noch so?«
»Hallo, Maggie Abendroth, wir sind nicht bei Navy CIS. Ich hab noch gar keine Antworten. Ich weiß noch nicht mal, ob der Mann im Zelt umgebracht worden ist oder woanders. Das wird Tage dauern, bis sich da was Definitives aus dem Chaos herauskristallisiert.«
»Also, ich weiß, dass bei der Trauerfeier für den Ladislaus der Heibuch schon auf dem Marktplatz war und dass Dennis und Wolfi hinfahren wollten, um ihm zu helfen, den Ochsen auf den Grill zu hieven. Du hast Dennis doch gehört. Die sind weggefahren, da hat ihr Vater noch gelebt. Aber da war der Ochse noch nicht da. Vielleicht war der Lieferant der Mörder? Und ... und Dennis hab ich getroffen, als ich den Transporter zurückgebracht hab. Er hatte Stress mit Dimi und Stojko ... Aber egal, die beiden hatte der Günni gestern rausgeworfen.«
»Was wollten sie denn dann bei Heibuch?«, fragte Winnie und schien zum ersten Mal interessiert.
»Die haben Stress wegen ihrer Papiere gemacht. Das war ... warte mal ... vorletzte Bahn ... 23.42 Uhr ... hm... halb elf oder kurz nach halb elf, würde ich sagen.«
»Aha?«, und schon war Winnies Interesse wieder erlahmt.
»Hat dein Rechtsmediziner irgendwas über den Todeszeitpunkt gesagt?«
»So, ich muss jetzt mal wieder ins Büro. Schöne neue Wohnung übrigens. Glückwunsch. Und so floral und fröhlich.«
»Lenk nicht ab.«
»Muss ich ja wohl, die Drehbuchautorin in dir läuft grad Amok. Und übrigens, Todeszeitpunkt bei einer derart zugerichteten Leiche ...? Frag deine Fernsehkommissare.«
Im selben Moment rauschte wieder ein Zug durch den Garten und Winnie sagte: »Um halb zwei fährt die letzte Bahn. Du wirst dich dran gewöhnen ...« Er nahm seinen Mantel von der Stuhllehne.
»Ja, ja ... du musst ja hier auch nicht wohnen.«
»Ruh dich erst mal aus. Und spiel nicht mit den Knöpfen am Bett.« Er grinste breit, und im nächsten Moment klappte die Tür hinter ihm zu.
Die übrig gebliebenen Reibekuchen auf dem Teller waren kalt geworden und klebten ölig glänzend aneinander. Ich kippte den Rest vom Apfelmus auf die fettigen Dinger und fing an, mit den Fingern zu essen.
Willkommen im Reich der arbeitslosen Vegetarier, dachte ich, schob mir mechanisch Bissen für Bissen in den Mund und hörte nicht eher auf, bis der ganze Teller leer war. Danach fühlte ich mich auch nicht besser. Nur noch dicker. Mindestens 82,92 Kilo. Ohne Handtuch.
Kapitel 8
Zwei lange Tage blieb der smarte Herr Blaschke völlig von der Bildfläche verschwunden. Wenn er bei der Arbeit war, gab es für ihn nichts anderes mehr. Die gesamte Restwelt, bis auf seine Oma, wurde ausgeblendet. Man wurde regelrecht in eine Nebendatei in einen Ordner ›Sonstiges‹ verbannt und musste einfach warten, bis Winnie mit Leiche und Mörder fertig war. Da war es völlig egal, ob ich obdachlos durch Bochum wanderte und dringend einen Freund gebraucht hätte oder ob seinem Lover ein wichtiger Kunstpreis verliehen wurde. Es zählte nicht. Man hätte auch versuchen können, einen Terrier zu stören, der eben eine Blutspur verfolgte. Bestenfalls wurde man nur einmal gebissen.
Aus purer Langeweile hatte ich zwischenzeitlich so lange am Fernseher herumgeschraubt, bis ich wenigstens RTL empfangen konnte – sehr verwaschen, in allen Sendungen schneite es, aber auch nur, wenn kein Zug vorbeifuhr – dann war in allen Sendungen ›Nacht‹. Eine Alternative wäre gewesen, Matti zu bitten, mir den Fernseher aus seiner Küche zu leihen – aber das hätte unweigerlich dazu geführt, wieder mal eine Essenseinladung ausschlagen zu müssen.
Die Bochumer Tageszeitungen widmeten sich dem
Spießbratenmörder
ausgiebig. Das bedeutete, dass die Redakteure sehr viel Zeit damit verbrachten, viele Zeitungsspalten mit ihrem Nichtwissen zu füllen. Wobei sich die
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