Ausgeweidet (German Edition)
bis Erika Wagner die Tür geöffnet hat, sondern ist gleich weitergefahren.«
»Dem Namen nach könnte sie Afrikanerin sein. Dann habe ich sie heute Morgen gesehen, als sie Erika Wagner zu uns ins Präsidium gebracht hat«, erinnert sich Clemens und übergibt das Wort an Sonja Melchior.
Diese schaut kurz in ihre Aufzeichnungen und beginnt. Jutta Schmittmann, beste Freundin von Senta Hartmann, eine große, blonde Frau von mitreißender Fröhlichkeit, hat nichts Außergewöhnliches bei ihren Kindern bemerkt. Meistens saßen Senta und sie beim Plausch in der Küche, während Briest seine Tochter und Juttas Kinder im Garten beaufsichtigte. Es sei zu keinen Vorfällen, großem Geschrei oder irgendwelchen Turbulenzen gekommen. Das Gespräch mit Pascal Schmitz im Petit Salon war da schon interessanter. Er hat ihr so einiges über das bunte Volk des engeren Kreises rund um den Salon erzählt. Viele Paradiesvögel, Transvestiten, Prostituierte, aber auch Homosexuelle, Künstler, Geschäftsleute und natürlich das ›normale‹ Publikum. Senta Hartmann hat dort viele Freunde.
»Ich kam mir im Petit Salon wie in einer Scheinwelt vor. Einmal gibt es die Besucher quer durch alle Gesellschaftsschichten, vornehmlich ein mehr oder weniger kulturinteressiertes Publikum, das es auch etwas außergewöhnlich liebt. Dann die sogenannten Stammgäste, die zur ›Familie‹ gehören und auch die Abende dort verbringen, an denen es keine Veranstaltungen gibt. Am Wochenende, also samstags und sonntags, und ebenso donnerstags und freitags gibt es immer Programm, entweder Liederabende, Comedy oder Theaterstücke. Man sitzt dort an kleinen, runden Tischen, kann etwas trinken, rauchen oder auch eine Kleinigkeit essen. Ein schönes Ambiente. Nach der Veranstaltung bleibt die Bar geöffnet, sodass man den Abend gemütlich ausklingen lassen kann. Mittwochs ist nur für Stammgäste geöffnet, und Montag und Dienstag bietet der Salon seine Räumlichkeiten für geschlossene Gesellschaften an. Sind die Abende nicht ausgebucht, ist für die ›Familienmitglieder‹ geöffnet.«
Die junge Kollegin schaut in die Runde. »Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Zum größten Teil Menschen, die aufgrund ihrer Lebensgestaltung anderswo eher ausgegrenzt werden und sich dort unter Freunden und Gleichgesinnten glauben. Senta Hartmann gibt regelmäßig Liederabende, ist mit dem Besitzer gut befreundet und taucht auch mittwochs auf. Pascal Schmitz meint, es käme zwar zu Reibereien oder Eifersüchteleien, wie das unter Freunden so sei, aber die Leute gehen respektvoll miteinander um. Dort werde jeder so akzeptiert, wie er ist. Eine Liste seiner Stammgäste hat der Besitzer verweigert. Herr Schmitz bittet uns, sehr diskret vorzugehen, wenn wir Befragungen durchführen müssen. Dazu hat er folgenden Vorschlag: Wir kommen an einem Mittwochabend als Gäste bei ihm vorbei, er bereitet alles vor und hofft darauf, dass seine Freunde uns Auskunft geben. Wir sollen aber bloß nicht wie Polizisten auftreten.«
Clemens ist überrascht und schaut zu Maria hinüber.
»Einen Versuch ist es wert«, lautet ihre Einschätzung.
»Ich glaube, es bringt mehr, als wahllos Leute aufzusuchen, die nicht mit uns sprechen wollen. Schmitz meinte, dass Senta sehr beliebt sei und viele Anteilnahme für ihr Schicksal gezeigt hätten. Aber ob sie zu helfen bereit seien, werde sich zeigen. Die meisten stünden auf dem Standpunkt, Briest habe es verdient.«
»Wir probieren es. Ruf bitte Pascal Schmitz gleich an und frag, ob es schon morgen Abend geht, etwas kurzfristig, ich weiß, aber uns rennt die Zeit davon.«
Er wendet sich an Hendrik: »Gibt es etwas Neues aus der Bevölkerung?«
Hendrik schaut etwas enttäuscht aus. »Nein, nicht wirklich.«
»Okay, dann war es das für heute.«
Christian auf der Heide meldet sich und fragt nach Lamberty.
»Ich habe ihm Diskretion zugesagt. Was er in der fraglichen Zeit getrieben hat, scheint mit unserem Fall nichts zu tun zu haben. Tut mir leid, dass ich euch da nicht mehr sagen kann.«
In diesem Moment geht die Tür auf, und Kreutz betritt den Besprechungsraum. »Hallo zusammen, wollte nur sagen, dass morgen zwei Kollegen bereit sind, euch in Pempelfort und am Wehrhahn bei Befragungen zur Seite zu stehen.«
Clemens bedankt sich höflich bei seinem Chef, auch wenn er es als eine Selbstverständlichkeit ansieht, dass die Streifenpolizisten sein Team unterstützen.
»Also, Sonja und Christian, ihr nehmt morgen die Kollegen mit. Und jetzt ist
Weitere Kostenlose Bücher