Ausgeweidet (German Edition)
gezeigt. Immer wieder musste er auf Allgemeinplätze zurückgreifen, um nicht ständig darauf hinzuweisen, dass er aus ermittlungstechnischen Gründen dazu nichts sagen könne.
»Lass uns die Kollegen zusammentrommeln«, schlägt Clemens vor. Sie teilen sich den langen Flur auf und gehen von Büro zu Büro. Nachdem sich alle bei Hendrik versammelt haben, stellt Clemens ihnen frei, nach Hause zu gehen.
»Vielleicht hilft es uns, etwas Abstand zu gewinnen und den Kopf wieder freizubekommen. Ich möchte euch jedoch bitten, in aller Ruhe über die bisherigen Erkenntnisse nachzudenken.« Er blickt zu den beiden Kommissaranwärtern hinüber.
»Sollte euch ein Gedanke oder ein Ermittlungsansatz in den Sinn kommen, den ihr vielleicht als verrückt oder an den Haaren herbeigezogen empfindet, bitte bringt den zur Sprache. Manchmal führen die abwegigsten Ansätze zum Erfolg.« Er nickt ihnen aufmunternd zu und beendet das kurze Treffen mit den Worten: »Wir treffen uns dann morgen um zwölf hier wieder. Dann sehen wir weiter.«
Sie sind schon fast am Ausgang, da ruft der Pförtner von Bühlow zu, der Kriminalrat bitte ihn, kurz mit Hauptkommissarin Esser in sein Büro zu kommen. Verwundert fahren die beiden wieder nach oben. Schon auf dem Flur kommt ihnen der Leiter des Morddezernats entgegen.
»Wird nichts mit dem freien Tag. In der Kaiserpfalz haben sie einen männlichen Toten gefunden. Arg zugerichtet, und das wenige, was mir die Kollegen vor Ort sagen konnten, lässt die Vermutung zu, dass Übereinstimmungen mit unserem Fall bestehen könnten. Schoeller und die Oberstaatsanwältin sind schon unterwegs.«
Clemens und Maria erwischen gerade noch Christian auf der Heide und Sonja Melchior, und auch Hendrik Flemming hat sein Büro noch nicht verlassen.
»Hendrik, bitte halt die Stellung, ein Toter in Kaiserswerth. Christian und Sonja, nehmt euch einen Dienstwagen vom Hof und fahrt zur Kaiserpfalz.«
»Vielleicht kommt jetzt endlich Bewegung in den Fall!«
Auf der Fahrt in den Düsseldorfer Norden versucht Maria, über Handy weitere Informationen von den Kollegen vor Ort zu bekommen.
»Und?«
»Die sind noch dabei, den Tatort abzusichern.«
Kurz vor dem historischen Kern von Kaiserswerth biegt Clemens am Kreisverkehr links in die mit alten Steinen gepflasterte Straße An Sankt Swidbert ein und stellt den Porsche auf dem Parkplatz des Burghofs ab. Schnell schlüpfen sie in ihre Overalls und gelangen nach nur wenigen Schritten auf die asphaltierte Burgallee, vorbei an der Galerie Burghof . Schon sehen sie die Einsatzfahrzeuge auf der Höhe der Kaiserpfalz.
Schoeller kommt auf sie zu. Im Gegensatz zu heute früh scheint er ziemlich angefressen zu sein.
»Sind auch gerade erst eingetroffen. Hummel ist noch auf dem Weg.«
Ein Polizist der Streife informiert sie, dass eine Olga Jankowski den Toten gefunden habe und direkt zur Polizeiwache in Kaiserswerth gegangen sei. Maria bittet Christian und Sonja, die ebenfalls eingetroffen sind, die Frau als Erstes dort zu befragen.
Die Hauptkommissare gehen nun auf die Kaiserpfalz zu und trauen ihren Augen nicht: Mitten in den kaiserlichen Ruinen hängt an einem Seil, das über einen Mauervorsprung geschlungen ist, kopfüber ein nackter, blutverschmierter, männlicher Körper. Pia Cremer steht unterhalb des Toten und schaut zu ihm hinauf. Eine Inszenierung, die ein Filmregisseur nicht besser hinbekommen hätte. Fehlen nur noch ein Regenguss und die Blitze eines starken Gewitters. Sie nähern sich langsam. Clemens blickt nach oben. Der Tote ist noch recht jung, gerade einmal Mitte bis Ende zwanzig, schätzt er. Unübersehbar wurde auch hier der Penis großräumig entfernt, und die Hoden wurden ausgeschält.
»Ihr könnt ihn jetzt abseilen«, antwortet der Hauptkommissar auf den fragenden Blick eines Kollegen der Spurensicherung. Die drei wenden sich ab und sehen auf den Rhein. Es dauert ein paar Minuten, bis die Spurensicherung den Toten geborgen hat. Er liegt jetzt auf einer Folie auf dem Erdboden. Clemens bückt sich und betrachtet den Körper. Auch hier zeigt der Kopf eine Einschusswunde, die Halsschlagader ist aufgeschlitzt, und die Kleidung liegt säuberlich zusammengelegt nicht weit entfernt. Verwundert bemerkt er, dass trotz des hohen Blutverlustes kaum Verfärbungen am Boden zu erkennen sind.
»Die gleiche Handschrift, die Übereinstimmungen sind unübersehbar.« Marias Stimme zittert leicht.
Pia Cremer nickt. »Ich fahre zurück in die Stadt und veranlasse alles
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