Ausgeweidet (German Edition)
Weitere. Da stehen wir wohl wieder am Anfang?«
»Ja, aber vielleicht gibt es hier die wegweisende Spur.« Clemens will optimistisch klingen.
»Hat er Papiere bei sich?«, fragt Maria.
Schoeller reicht ihr einen Personalausweis. Thomas Kirchfeld, Jahrgang 1982, wohnhaft in Duisburg-Rheinhausen. Clemens greift zu seinem Handy und ruft Hendrik an.
»Such mal nach einem Thomas Kirchfeld. Sobald du was hast, sag Bescheid.« Clemens und Maria gehen zu der kleinen Treppe, die von der Kaiserpfalz nach oben auf die Burgallee führt, und setzen sich auf die Stufen. Dr. Hummel kommt schwer bepackt mit eiligen Schritten an. In der einen Hand hat er den Tatortkoffer, in der anderen seinen Laptop. Er grüßt kurz und geht direkt weiter zu dem Toten.
Ein lauter werdendes Stimmengewirr unterbricht Clemens’ Gedanken. Die Hauptkommissare sehen sich um. Mehrere Reporter versuchen, unter den Absperrbändern hindurch in die Nähe des Tatorts zu gelangen. Die Streifenpolizisten können sie nur mit Mühe davon abhalten. Clemens springt auf und läuft zu den Journalisten hinüber. Mit kräftiger Stimme, die keinen Widerspruch, duldet, ruft er: »Bleiben Sie hinter der Absperrung!«
Schon wird er mit Fragen nur so bombardiert. Alle rufen durcheinander.
»Wer ist der Tote?«
»Wieder eine Hinrichtung?«
»Gibt es Parallelen zum Mord im Grafenberger Wald?«
Clemens kann sich kaum Gehör verschaffen, so aufgeheizt ist die Stimmung. Inzwischen hat Maria Verstärkung angefordert. Ein Mannschaftswagen fährt mit Blaulicht und Martinshorn die Burgallee hoch. Polizisten springen heraus und drängen die Reporter ab, was zu neuen Turbulenzen führt. Es dauert einige Minuten, bis sich die Medienvertreter beruhigt haben. Clemens bittet um Verständnis, dass er noch keine näheren Angaben machen kann. Wieder wird er mit Fragen überschüttet und von den Blitzlichtern der Fotografen geblendet. Ein Blick zum Tatort zeigt ihm, dass der Tote mittlerweile mit einer weißen Folie abgedeckt ist.
Genervt kehrt er zu Maria zurück, die schon mit Hummel im Gespräch ist. Der ist so freundlich, knapp das Ergebnis der äußeren Leichenschau zu wiederholen: »Gezielter Kopfschuss, ein Einschuss, Verstümmelung post mortem, stark ausgeblutet. Todeszeitpunkt sehr wahrscheinlich Freitag, später Nachmittag, früher Abend. Alles deutet darauf hin, dass der Tod vor über vierundzwanzig Stunden eingetreten ist, da die Leichenflecken sich nicht mehr wegdrücken lassen und die Leichenstarre sich bereits auflöst. Alles Weitere nach der Obduktion.«
»Schon wieder ein Freitag«, stellt Maria fest.
Clemens geht ein Stück den Weg hinauf und sieht sich um. Keine Wohnhäuser. Schräg gegenüber der Pfalz nur das Suitbertus-Gymnasium und rheinaufwärts der Burghof . Auf der anderen Seite zum Rhein gelegen der Herbert-Eulenberg-Weg, der parallel zum Fluss verläuft. Hier geht keiner mehr nachts entlang. Abgesehen davon war der Tote vom Rhein aus nicht zu sehen.
Schoeller kommt auf ihn zu. »Du hast schon bemerkt, dass der Fundort nicht der Tatort ist?«
»Ja, zu wenig Blut. Aber irgendwie muss der hier hingeschafft worden sein. Auch wenn er recht schmächtig ist, ein lebloser Körper ist schwer und unhandlich.«
Clemens schaut sich weiter um. »Sehr risikoreich, aber machbar. Man kann mit dem Auto direkt bis vor die Kaiserpfalz fahren.«
Er dreht sich zu Schoeller um. »Habt ihr außer dem Personalausweis und der Kleidung noch weitere persönliche Dinge gefunden?«
»Nein, weder Geldbörse noch Handy. Der Personalausweis steckte in der hinteren Hosentasche der Jeans.«
Maria ist bei dem um diese Jahreszeit verwaisten Biergarten des Burghofs angelangt. Clemens folgt ihr eilig.
»Hat man einen guten Blick?«, fragt er.
»Ja, das Gelände ist jetzt im Herbst gut einsehbar. Aber wenn der Täter erst spät in der Nacht hier aufgetaucht ist, wovon ich ausgehe, wer soll ihn dann gesehen haben? Der Burghof schließt um ein Uhr. Lass die Bedienung noch die Abrechnung machen, dann ist es hier ab zwei Uhr vollkommen einsam.«
»Und sehr dunkel«, ergänzt Clemens, denn die wenigen alten Gaslaternen auf der Burgallee spenden nur spärlich Licht.
Der Leichenwagen fährt vor. Der Tote wird von den Kriminaltechnikern, die ihn zuvor in eine Spezialfolie gewickelt haben, vorsichtig in den grauen Zinksarg gehoben. Erneut bricht ein Blitzlichtgewitter los. Die zwei Angestellten des Bestattungsunternehmens, die den Toten zu Dr. Hummel in die Gerichtsmedizin bringen sollen,
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