Ausgeweidet (German Edition)
schon schiefgehen, eine alltägliche Polizeikontrolle«, erwidert Clemens.
»Und wenn der die Nerven verliert?« Kreutz lässt nicht locker.
»Dann haben wir zumindest einen neuen Ansatzpunkt.«
Clemens wendet sich erneut an Sonja: »Nimm dir die Prozessakte von Kirchfeld vor.« Dann ist Florian dran:
»Versuche herauszubekommen, ob es Übereinstimmungen gibt bei den Besuchern von Briests und Kirchfelds Gerichtsverhandlung. Der Täter muss anwesend gewesen sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.«
Maria meldet sich zu Wort. Sie erzählt kurz von dem gestrigen Gespräch mit Senta Hartmann und Pascal Schmitz. Auf einmal schlägt sie sich die Hand vor die Stirn.
»Wir hätten Frau Hartmann fragen müssen, ob dieser Mann auch bei der Verhandlung gewesen ist.«
»Stimmt, ruf sie gleich an«, bittet Clemens.
Maria geht raus und kommt kurze Zeit später wieder.
»Sie weiß es nicht. Sie hat nicht darauf geachtet, wer im Publikum saß.«
»Habt ihr diesen ›Blassen‹ in Verdacht?«, fragt Florian Schmidt.
»Es ist zumindest eine Spur. Hoffentlich bringt die Pressekonferenz morgen etwas«, antwortet Clemens.
Nach der Besprechung zieht sich jeder in sein Büro zurück. Clemens setzt sich an seinen Schreibtisch, legt die Füße auf den Tisch, schließt die Augen und denkt nach. In kürzester Zeit ist er eingenickt. Ein lautes Klopfen reißt ihn aus dem Schlaf, er rappelt sich auf.
Hendrik steht in der Tür und grinst. »Habe ich den Herrn Hauptkommissar geweckt?«
»Kann man so sagen. Gibt es was Neues?«
»Ich habe Kontakt zu einigen Gerichtsreportern aufgenommen und prompt Fotos gemailt bekommen, die sie immer am Anfang und am Ende einer Verhandlung schießen. Komm mal rüber, dann gehen wir die durch.«
Clemens holt sich erst einmal einen Espresso, das einzige Getränk aus dem Automaten, das einigermaßen genießbar ist.
Die meisten Fotos zeigen die Angeklagten Briest und Kirchfeld mit ihren Anwälten, aber auch das Publikum ist auf einigen Aufnahmen zu sehen. Der Hauptkommissar starrt auf den Bildschirm.
»Ja, das könnte die gesuchte Person bei einer Verhandlung von Briest sein. Und hier sehr undeutlich am Rand des Fotos eine Gestalt bei der Gerichtsverhandlung von Kirchfeld. Kannst du den irgendwie vergrößern?« Hendriks Finger jagen über die Tastatur. Nach wenigen Sekunden nimmt die Gestalt etwas schärfere Konturen an.
»Hm, sicher bin ich mir nicht. Aber diese Person hat Ähnlichkeit mit Jürgen Beyer. Merkwürdig. Den hätte ich doch gestern erkannt, wenn er im Petit Salon gewesen wäre. Kannst du mal etwas über einen ehemaligen Kollegen recherchieren? Aber das bleibt unter uns. Der Name ist Jürgen Beyer«, bittet Clemens seinen Kollegen.
Die Ermittler treffen diesmal etwas früher in der Adersstraße ein, um die ankommenden Gäste zu beobachten. Clemens raucht schnell noch eine Zigarette. Jedes Mal, wenn ihm ein Fall an die Nerven geht, erhöht sich sein Zigarettenkonsum. Und dieser Fall nimmt ihn ziemlich mit. Die ganze Zeit hat Clemens die Straße im Auge. Da kommt dieser ›Blasse‹. Er erkennt ihn sofort: Es ist Jürgen Beyer, in einem schlecht sitzenden Anzug, die wenigen Haare strähnig und Schweiß auf der Halbglatze. Er hat gerade seinen Wagen geparkt, einen alten Passat. Clemens informiert die Kollegen von der Streife, auf welches Auto sie achten müssen.
In Gedanken lässt er die Befragung von Beyer Revue passieren. Der ehemalige Polizist hat offen darüber gesprochen, wie sehr er Senta Hartmann schätzt und dass er öfter in den Salon geht. Clemens beschleicht ein ungutes Gefühl. Könnte er schon wieder falsch liegen? Einen Kollegen verdächtigen ist keine Kleinigkeit. Er berührt Maria am Arm und gibt ihr ein Zeichen, sich in die Schlange der ankommenden Gäste einzureihen, die sich am Treppenaufgang gebildet hat. Langsam steigen sie eine Stufe nach der anderen nach oben. Sie verzichten darauf, ihre Mäntel in der Garderobe abzugeben, und gehen direkt in den Salon. Jürgen Beyer ist einer der wenigen, der schon Platz genommen hat. Die anderen Gäste scheinen ihn nicht zu interessieren. In aufrechter, aber angespannter Haltung starrt er auf die Bühne. Maria und Clemens gehen an die Bar, bestellen sich ein Wasser und schauen sich weiter um.
»Wenn du den Beyer, den wir befragt haben, und den Beyer, der jetzt hier zu Gast ist, vergleichst, was fällt dir dann auf?«
Maria überlegt. »Bis auf die Blässe und das ungepflegte Äußere haben die nicht viel gemeinsam. Hier
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