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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Tempo.
    Je weiter er sich vom Zug entfernte, desto sicherer fühlte er sich. Vor allem, als er hörte, wie dieser wieder anfuhr. Sobald er die Brachfläche erreicht hatte, duckte er sich ins hohe Gras und wartete. Nachdem der Zug erneut angehalten hatte und eine Art Stille herrschte, rief er, so laut er es wagte, nach Anna.
    »Hier drüben!«, flüsterte sie, und da waren sie wieder zusammen. Sie umarmte und küsste ihn, fast wahnsinnig vor Erleichterung.
    »Und jetzt?«, fragte sie.
    »Besser, wir verschwinden, solange es noch dunkel ist«, meinte Peter. »Versuchen wir die Fähre zu finden.«
    Sie folgten ihrer Nase. Der Meeresgeruch wies ihnen den Weg durch die Felder am Rande der Stadt.
    Im Morgengrauen stellte Peter voller Entsetzen fest, dass Anna vollkommen verdreckt aussah. Ihr hellbrauner Mantel war über und über rußverschmiert, ihr Gesicht ebenso.
    »Du siehst genauso schrecklich aus«, entgegnete sie. »Voller Schmutz!«
    »Was sollen wir bloß tun?«, fragte Peter. »Wenn wir aussehen wie Vagabunden, werden wir sofort auffallen.«
    »Und ich bin kurz vor dem Verhungern«, fügte Anna hinzu.
    Zum Glück stießen sie auf einer Weide auf eine alte Badewanne mit Trinkwasser für das Vieh. Sie entkleideten sich bis auf die Unterwäsche und wuschen sich den Schmutz von Gesicht und Körper. Es war früh am Morgen und so eiskalt, dass ihnen die Zähne klapperten. Doch Peter war von einer seltsamen Freude erfüllt, und Anna ebenso. Sie mussten sogar lachen, obwohl sie zitterten. Die Situation war einfach zu grotesk.
    »Was ist mit unseren Kleidern?«, fragte Anna. »Müssen wir die nicht auch waschen?«
    Sie klopften ihre Kleidung mit den Händen aus. Der meiste Dreck löste sich, aber die Mäntel sahen trotzdem sehr abgetragen und schmuddelig aus. Doch zumindest lenkte das Ganze sie von den Gedanken an Ula ab sowie von der Frage, was sie nun tun sollten.
    »Ich habe eine bessere Idee«, sagte Peter. In der Ferne hatte er ein Bauernhaus entdeckt, und die Bewohner, wer sie auch sein mochten, hatten ihre Wäsche zum Trocknen herausgehängt und wohl vergessen, sie über Nacht hereinzuholen.
    Sie rannten zu dem Hof. »Hoffen wir, dass der Bauer nicht zu früh aufsteht«, sagte Anna. Peter bewunderte sie zutiefst. Dass sie so durchhielt, nach allem, was geschehen war.
    Zwischen den ganzen Kleidungsstücken fanden sie eine Hose, ein Hemd und ein Kleid. Die Hose passte Peter halbwegs, aber das Kleid war für Anna viel zu kurz. »Sehr hübsch«, flüsterte Peter. »Aber wenn du so auf die Straße gehst, gibt es einen Skandal.«
    Quietschend öffnete sich ein Fenster, und hinter einer Spitzengardine war ein Schatten zu erkennen. Dann hörten sie drinnen eine alte Frau rufen. Es war Zeit, sich aus dem Staub zu machen.
    Ein älterer Mann eilte in den Garten und schrie wütend etwas hinter ihnen her, als sie davonrannten. Er versuchte ihnen zu folgen, gab aber schon nach wenigen Metern auf. Als Peter sich umdrehte, stand der Mann keuchend im Garten, die Hände auf die Knie gestützt. Trotzdem rannten sie weiter, bis sie nichtmehr konnten. Die Bäume und Hecken entlang der Felder waren voller unreifer Äpfel und früher Brombeeren, von denen sie einige zum Frühstück aßen. Doch das karge Mahl half nicht viel, sie waren immer noch sehr hungrig.
    Anna schälte sich aus dem viel zu kurzen Kleid und streifte rasch ihren schmuddeligen Rock und die Bluse über. »Ich muss einfach meinen Mantel zugeknöpft lassen«, sagte sie. »Hoffentlich wird es nicht zu heiß.«
    Der Tag brach an. Mit neuer Hoffnung machten sie sich auf den Weg zum Hafen.
    Dort herrschte geschäftiges Treiben. Schweden zählte immer noch zu Deutschlands wichtigsten Handelspartnern, und entlang der Hauptstraße, die zu den Fähren führte, stauten sich lange Reihen von Lastwagen mit Industriegütern. »Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig als zu warten«, sagte Peter stöhnend. »Wir müssen die Zeit totschlagen, bis es dunkel wird, und dann versuchen, uns auf die Ladefläche eines Lasters zu schmuggeln.«
    Von den Kalkfelsen oberhalb der Straße verdeckt setzten sie sich in die Sonne. Anna döste ein, fuhr aber bald aus dem Schlaf hoch. »Jedes Mal, wenn ich einschlafe, habe ich einen schrecklichen Traum«, sagte sie. Nach einer Weile setzte sie sich auf, sprach aber kein Wort. Peter merkte, dass sie an ihre Eltern dachte. »Ich wünschte, wir hätten irgendwas zu tun. Diese Warterei bringt mich noch um«, sagte sie.
    Gegen Mittag wurden Hunger und Durst

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