Auslegware
zu schaffen, damit ich den anderen richtig positionieren konnte. Nach einer halben Stunde hatten wir es gemeinsam geschafft, die Bahnen zumindest so hinzulegen, damit wir ihn an die Wände und Ecken anpassen konnten. Da der Teppich vorher schon einige Stunden gelegen und sich akklimatisiert hatte, konnte ich bereits damit beginnen, ihn zurechtzuschneiden und zu verkleben.
„Was zu trinken?“, erkundigte sich Marius, nachdem der Teppich endlich richtig lag, und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Sein Gesicht war gerötet von der Anstrengung. Ich musste aufpassen, dass ich ihn nicht zu lange anstarrte, sonst hätte ich meine Beherrschung verloren. Die Röte und der Schweißfilm auf seinem Gesicht sahen so verlockend und zum Anbeißen aus. Am liebsten hätte ich ihm jedes Schweißtröpfchen einzeln von der Haut geleckt.
Ich nickte nur stumm und suchte das Werkzeug aus meinem Koffer. Viel brauchte ich nicht. Teppichmesser, Schiene, Schere für das Klebeband. Ich ließ mir viel Zeit dabei, versuchte, mich irgendwie abzulenken oder meinen Kopf zu beschäftigen. Es war wirklich eine Herausforderung, so nahe bei ihm zu sein und so zu tun, als sei überhaupt nichts. Ich kämpfte mit meiner Beherrschung und mit der Hitze, die mir unentwegt in den Unterleib fuhr. Jedes Mal, wenn sich unsere Blicke getroffen hatten, sei es nur, um uns stumm abzusprechen, oder ich ihm Anweisungen geben musste, wie er den Teppich richtig ziehen musste, war ein Blitz durch mich hindurchgerollt, der meine Muskeln zum Verkrampfen brachte und mich mehr keuchen ließ, als es die Arbeit erforderte.
Als Marius mit zwei Flaschen Wasser zurückkehrte und mir eine reichte, setzte ich mich einfach neben den Koffer auf den Boden, schraubte den Verschluss auf und trank gierig. Es gab auch keinen anderen Platz zum Sitzen, denn die Möbel waren alle rausgeräumt. Marius ließ sich neben mir nieder, verschränkte seine Beine zum Schneidersitz und gönnte sich ebenso ein paar Schlucke.
„Ohne dich hätte ich das nie hinbekommen“, sagte er, nachdem er die Flasche abgesetzt hatte, und lächelte mich breit an.
„Dafür sind wir da“, erwiderte ich nüchtern. Persönlicher Service nur für ausgewählte Kunden , fügte ich im Stillen hinzu.
„Machst du Fitnesstraining?“, wollte er wissen. Sein Blick war über meine Arme geglitten. Er schien von meinen Muskeln beeindruckt zu sein.
Ich schüttelte langsam den Kopf. „Das brauche ich bei meinem Job nicht. Ich muss täglich so viele schwere Rollen herumwuchten, da kann ich mir das teure Fitness-Center sparen.“
„Dann machst du gar keinen Sport?“
„Doch. Hin und wieder Joggen, oder Tennis mit ein paar Kumpels“, verriet ich bereitwillig. „Letztes Jahr waren wir auf einer zweiwöchigen Raftingtour. War klasse.“ Ich erinnerte mich mit einem Lächeln an den Urlaub. Er hatte mich ausgelaugt und ziemlich gefordert. Dennoch hatte es mir gefallen, sodass ich mich bereit erklärt hatte, es dieses Jahr zu wiederholen. Mir würde es gefallen, dieses Jahr mit Marius dort aufzutauchen, wobei er so leicht war, dass ich ihn wahrscheinlich im Boot festbinden musste, um nicht bei der nächstbesten Welle über Bord gespült zu werden.
„Deine Kumpels …“, begann Marius zögerlich. „Triffst du dich oft mit ihnen?“
„Hin und wieder“, antwortete ich und wackelte leicht mit dem Kopf. Wir kannten uns zum Teil noch aus der Schulzeit und verstanden uns noch immer recht gut. Doch ich wollte keine so enge Beziehung zu ihnen. Zum Einen, weil keiner von ihnen wusste, dass ich schwul war. Zum anderen hatten wir uns in den Jahren auseinander gelebt und besaßen mittlerweile andere Vorstellungen vom Leben. Ein paar gemeinsame Tennisstunden oder zwei oder drei Wochen Urlaub auf Stromschnellen und reißenden Flüssen war noch zu ertragen, doch nicht täglich.
„Und was machst du so in der Freizeit, wenn du dich nicht mit deinen Kumpels triffst?“
Ich sah ihn fragend an. Die Frage ging eindeutig tiefer als Smalltalk. Wollte er etwa etwas von mir? Konnte nicht sein. Ich versuchte, hinter seine Stirn zu blicken, doch er wirkte in diesem Moment absolut unnahbar und emotionslos, als hätte er eine Maske aufgesetzt, um seine wahren Gefühle zu verbergen.
Vielleicht doch ein Tänzer, vermutete ich. Oder ein Schauspieler. So gekonnt, wie er seine Mimik einsetzte, war er zweifellos jemand, der auf der Bühne Rollen spielte.
„Nichts Konkretes“, gab ich ausweichend von mir. Schauspieler
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