Ausradiert: Thriller (German Edition)
Donny.«
»Gern. Was wollen Sie wissen?«
»Hat er Lara geheiratet?«
»Das ist richtig.«
»Lebt er noch in der Stadt?«
»Donny ist tot. Lara auch, falls Sie das noch nicht wussten. Die Einzigen auf dem Bild, die noch leben, sind Liza unten im Süden, wo sie sich vielleicht nicht besonders gut benimmt, und natürlich Elaine, die Karriere gemacht hat.«
»Wie ist Donny gestorben?«
»Hat sich umbringen lassen.«
»Wie?«
Wally rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »War auf Verbrechenstour.«
»Was für eine Verbrechenstour?«
»Eine von diesen Touren, wie sie verrückte junge Burschen durchziehen, Bankraub und so, nichts wirklich Schlimmes«, sagte Wally. »Drüben in Nevada. Ein Wachmann hat ihn vor der Pahrump National Bank erschossen, könnte auch ein Polizist gewesen sein. Donny war damals ungefähr einundzwanzig.« Wallys Blick wanderte zu dem Bild, blieb fünfzehn oder zwanzig Sekunden daran hängen. »Die Dinge entwickeln ihren eigenen Schwung, hm? Drehen sich immer weiter.«
»In welcher Weise?«
»Auf schlimme Weise, denke ich«, sagte Wally. Er gab Nick das Foto zurück. »Sie haben den Fluchtfahrer nie gefunden.«
»Wer war das?«, fragte Nick.
»Ist sauber entkommen«, erwiderte Wally. »Was heißt, dass es niemand weiß.«
»Ich glaube, Sie schon.«
Ihre Blicke trafen sich. Die Sonne ging an der offenen Seite des Schuppens auf, brannte, schimmerte rot auf Wallys übergroßer Lesebrille. »Sie sollten besser mit Mrs. Deems sprechen«, meinte er.
»Donnys Mutter?«
»Ja. Sie lebt noch immer auf ihrer Ranch, oben bei der Geisterstadt.«
»Der Silver City Ghost Town?«
»Richtig«, bestätigte Wally. »Wo dieses Bild aufgenommen wurde, wie ich schon vorhin erklären wollte. Älteste Siedlung in diesem Teil des Landes, die Geisterstadt, wo alles begann. Heute ist sie stillgelegt, keine Führungen mehr und so was, praktisch die Geisterstadt einer Geisterstadt, wenn Sie wissen, was ich meine, aber Sie finden Mrs. Deems draußen auf der Double D. Das doppelte D steht für den großen Donny, den Vater des kleinen Donny. Der große Donny hat mit George in derselben Mannschaft gespielt. Da Sie ja sowieso fragen werden, er ist auch tot, in Vietnam geblieben.«
Nick stand auf. Sein rechtes Bein wollte nicht mithelfen, aber er zwang es dazu, beinah brutal. Wally erhob sich ebenfalls, drehte die Thermoskanne zu, schloss die Donut-Schachtel. Sie schüttelten sich die Hände.
»Was immer es ist«, sagte Wally. »Sind Sie bereit, es zu Ende zu bringen?«
»Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
Wally lächelte. Er besaß nur noch wenige Zähne. »Ich wollte eigentlich sagen – fühlen Sie sich der Aufgabe gewachsen? Sieht aus, als ginge es Ihnen nicht hundertprozentig. Aber ich tue es nicht. Sinn für Humor ist nicht jedermanns Sache.«
Nick mochte Wally, mochte ihn sehr. »Haben Sie je Kinder gehabt?«, fragte er.
»Nein.«
Wally wäre ein guter Vater gewesen.
33
A uf dem Weg zur Double D Ranch, den Anweisungen Wallys folgend – auf der Tiefort Road, einer schmalen Teerstraße, die aus der Stadt führte, nach Norden, dann den dritten Schotterweg links in Richtung Osten, »Halten Sie an, wenn Sie gegen den Berg stoßen« –, begann Nick, sich ein bisschen komisch zu fühlen. Er fuhr auf der dritten Schotterpiste Richtung Osten, die Sonne in den Augen, das Verdeck geschlossen, Staubwolken hinter sich aufwirbelnd, als das grelle Licht ein bisschen viel wurde und die geraden Linien der Landschaft sich zu krümmen begannen. Das flache Land wellte sich wie eine Tapete, deren Leim sich gelöst hatte, pferchte ihn in eine Rinne, die immer tiefer und schmaler wurde. Nick warf einen Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige. Hundertachtzig. Er nahm den Fuß vom Gas, trat auf die Bremse. Nur, dass nichts geschah: Das Signal wurde gesendet, aber der rechte Fuß verweigerte seine Pflicht, blieb, wo er war, schwer auf dem Gaspedal. Hundertneunzig, zweihundert; und das grelle Licht, das wie eine Bombe in Zeitlupe explodierte. Er verlagerte den linken Fuß, um den rechten wegzutreten, das Ganze zu beenden, als das Auto über eine Erhebung schoss und durch die Luft segelte. In der Luft erlebte er einen seltsamen, befremdlichen Augenblick vollkommenen Friedens, bis sich eine Schicht seines Verstandes abschälte und eine Erinnerung freisetzte – das, was er für eine Erinnerung hielt – eine Erinnerung an die Innenräume des Four-Aces-Motels am Lincoln Boulevard. Nicks Auto landete
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