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Ausreißer

Ausreißer

Titel: Ausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlueter , Irene Margil
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Doch dann wurde ihnen der Vorsprung zu groß. Am Straßenrand tauchte plötzlich Jan auf, der ein Plakat
     in der Hand hielt: 1’15 stand darauf geschrieben.
    Jabali begriff. Da sie nicht wie die Profis über Funk verfügten, gab Jan seinem Team auf diese Weise die Information, wie
     viel Vorsprung Michael, Jessica und die beiden anderen vor dem Feld mittlerweile hatten: eine Minute und 15   Sekunden. Ein großer Vorsprung. Aber zu schaffen.
    Sven blies zur Attacke. Sein Team funktionierte. So wie Jabali es bei ihnen im Training auch schon erfahren hatte, surrte
     das Team los wie ein ICE, der erst langsam und schwerfällig in Fahrt kommt, dann aber durch die Landschaft saust und kaum
     noch zu bremsen ist.
    Lennart sah sofort, was los war. »Das schafft Michael nicht!«, war er sich sicher.
    Jabali teilte seine Einschätzung. »Was sollen wir tun?«
    »Häng dich dran!«, schlug Ilka vor.
    »Wo?« Jabali verstand nicht.
    »Na, an dein ehemaliges Team!«, rief Ilka ihm zu.
    »Ich bin doch kein Lutscher!«, empörte sich Jabali.
    Ilka schüttelte verständnislos den Kopf. »Du bist hier im Rennen. Hier geht es um Taktik. Häng dich dran! Schau, zwei Grünheimer
     machen das auch!«
    »Und ihr?«, fragte Jabali.
    »Wir ziehen Lennart mit, so weit es geht«, versprach Ilka.
    Jabali nickte ihr zu. »Okay!«
    Doch das Cornflakes-Team drückte jetzt mächtig aufs Tempo.
    Hundert, zweihundert Meter lagen bestimmt schon zwischen ihnen und Jabali. Wie sollte er auf sich allein gestellt den Anschluss
     herstellen? Auch die beiden Grünheimer, die sich mitziehen lassen wollten, fielen schon ab. Sie konnten das Tempo einfach
     nicht halten.
    »Wir fahren ihn ran!«, entschied Lennart. »Los!« Und endete in einem Hustenanfall.
    »Was ist los?«, fragte Linh.
    »Uäh! Proteine!«, lachte Lennart.
    Linh begriff, was er meinte. Ein Insekt war ihm mit dem Fahrtwind in den Mund geflogen und Lennart hatte es verschluckt.
    »Hoffentlich keine Wespe«, wünschte Ilka ihm bloß.
    »Ich glaub nicht«, antwortete Lennart und wiederholte seinen Aufruf zur Attacke.
    Und dann sprintete er los.
    Linh und Ilka hefteten sich an ihn dran, so wie sie es Dutzende Male im Training geübt hatten. Ganz hinten und damit am meisten
     im Windschatten fuhr Jabali. Schnell hatten sie die Grünheimer eingeholt, die noch einmal eine Chance witterten, sich an das
     Cornflakes-Team heranfahren zu lassen. Sie hängten sich in den Windschatten der vier Asse.
    Indem die vier jetzt das Tempo steigerten und damit das Cornflakes-Team noch anspornten, schadeten sie zwar Michael, der es
     nun noch weniger schaffen würde, den Vorsprung zu halten, aber die Taktik hatte sich verändert. Jetzt ging es darum, Jabali
     an das Cornflakes-Team heranzufahren. Wenn er erst mal dran war, konnte er auf eigene Faust einen Ausreißversuch unternehmen.
     Genügend Kraft und Ausdauer dafür besaß er.
    Lennart beschleunigte die Trittfrequenz, schaltete in einen noch höheren Gang, stieg aus demSattel, beugte sich weit nach vorn, um so wenig Luftwiderstand wie möglich zu bieten, und legte einen Zwischenspurt ein. Dann
     setzte er sich auf den Sattel und ging in Zeitfahrposition wie die Triathleten und damit an seine Kraftreserven. Seine Oberschenkel
     brannten, die Waden drohten auseinanderzuspringen, aber er beobachtete auf dem Tacho, wie die Geschwindigkeit stieg. Von hinten
     kam kein Kommando, langsamer zu fahren, also versuchte er, weiter zu beschleunigen. Seine Tachouhr diente gleichzeitig als
     Pulsmesser. 110   Prozent! Eine Belastung, die er nicht lange durchhalten konnte. Doch Lennart spürte, dass sich der Abstand zum Cornflakes-Team
     verringerte.
    Gleich hab ich sie! Dieser Gedanke jagte ihm durch den Kopf, verdichtete sich dort zu einem gleichmäßigen Rhythmus. Gleich-hab-ich-sie.
     Wie eine Dampflokomotive, die zunächst gemächlich, dann immer schneller in Fahrt kam, entsetzlich vor sich hin schnaufte und
     doch optimal Kraft in Geschwindigkeit umsetzte. Gleich-hab-ich-sie. Gleich-hab-ich-sie. Der Rhythmus beschleunigte. Gleich-hab-ich-sie.
     Gleich-hab-ich-sie . . .
    Nichts um sich herum nahm Lennart noch wahr.Nicht die anderen Rennfahrer, die er hinter sich gelassen hatte. Auch nicht, dass Ilka und Linh längst hatten abreißen lassen
     müssen. Und mit ihnen die beiden Grünheimer, die ebenfalls einfach nicht mehr hinterherkamen. Nicht die versprengten Zuschauer,
     die sich am Straßenrand hinter den Absperrungen sehr sporadisch versammelt hatten und

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