Außer Atem - Panic Snap
Byblos angebaut. Mrs. McGuane, die die Weinberge und die Kellerei ihren Kindern überlässt, arbeitet gern in ihren Gemüse- und Obstgärten hinter dem Haupthaus. Schmale Pfade unterteilen das Areal in Abschnitte, deren Beete je nach Jahreszeit mit Salat, Mais, Karotten, Zwiebeln, Tomaten, Kohl, Paprika, Zucchini und Kartoffeln bepflanzt werden und so das ganze Jahr über frisches Gemüse liefern. Ein Gärtner hilft ihr, und von beiden lerne auch ich einiges über Gartenarbeit. Bei der Planung meiner Mahlzeiten berücksichtige ich, was es gerade im Garten gibt, und verwende so viel frisches Gemüse wie möglich.
Ich bücke mich und rupfe ein paar Unkräuter aus dem Gemüsebeet. Eigentlich müsste ich noch ein paar Artischocken wegschneiden – sie breiten sich zu sehr aus –, doch ich kann einfach nicht aufhören, an James' Ehefrau zu denken. Ist sie auf die gleiche Weise gestorben, wie ich hätte sterben sollen? Eine vage Vorahnung lastet jetzt schon schwer auf mir. Ich habe das Gefühl, mich zu tief zu verstricken. Was habe ich James entgegenzusetzen? Und wie passt Gina in das alles hinein?
Ich schaue zu Mrs. McGuane hinüber, die vor dem Spargelbeet kniet; gerade und dick ragen die Stangen aus dem Boden, dass es aussieht wie ein Nagelbett. Sie schneidet die Spargel mehrere Zentimeter unter der Erdoberfläche ab, indem sie mit einem langen Sägemesser in den Boden sticht. Was sie erntet, werde ich heute mit ein wenig zerlassener Butter zum Abendessen servieren. Sie legt die Stangen in ihren Korb. Ein großer Schlapphut aus Stroh thront auf ihrem Kopf und schützt sie vor der Sonne, in ihrem Nacken ringeln sich ein paar dünne weiße Locken. Der Anblick ihres Bauches, der sich unter dem blauen Gürtelkleid wölbt, hat etwas sehr Tröstliches. Mütterlich, denke ich, ganz und gar weich. Meine eigene Mutter kommt mir in den Sinn, doch mir ist klar, dass sie Mrs. McGuane wahrscheinlich überhaupt nicht ähnelt. Meine Mutter hat nicht nach mir gesucht, als ich verschwunden war, und wenn sie es doch getan hat, dann hat sie sich nicht zu sehr angestrengt.
»Mrs. McGuane«, rufe ich zu ihr hinüber und korrigiere mich gleich darauf. »Charlotte«, versuche ich es noch einmal, obwohl mir der Name nicht leicht über die Lippen kommt. »War James jemals verheiratet?«
Sie antwortet mir nicht sofort. Sie legt das Messer in ihren Korb und sortiert die Spargelstangen um. Schließlich schaut sie zu mir herüber und sagt: »Ja, aber das ist lange her.«
»Wie hieß sie?«
Mrs. McGuane erhebt sich und geht zum Lauchbeet hinüber. Die grünen Blätter sind groß und spitz, die weißen Stängel ragen aus dem Boden. »Sie hieß Anna«, sagt sie. »Anna Maria Monicelli. Sie waren nur kurz verheiratet.« Mehr sagt sie nicht. Ein paar Minuten vergehen. Sie hebelt die Lauchstangen behutsam mit einer Forke aus dem Boden und legt sie in ihren Korb.
»Sie ist tot?«, hake ich nach.
Mrs. McGuane richtet sich langsam auf. Sie kommt zu mir herüber und legt mir die Hand auf den Arm. »Meine Liebe«, sagt sie, »bitte sprechen Sie James nicht darauf an. Das alles ist sehr lange her, aber es macht ihm noch immer zu schaffen. Er möchte nicht darüber reden, und er möchte auch nicht, dass andere darüber reden.« Sie schaut an mir vorbei.
»Da kommt er ja«, sagt sie, und als ich mich umdrehe, sehe ich ihn auf der Terrasse. Ruhig fügt sie hinzu: »Kein Wort mehr über Anna.« Den Korb schwenkend geht sie ihm entgegen; das Kleid schwingt im Rhythmus ihrer Schritte. Er hebt grüßend die Hand in meine Richtung, doch er winkt nicht.
Ich beobachte sie. Sie gehen in den hinteren Bereich der Terrasse, wo ein Raum Schatten spendet und von einem Gitterdach blass violette Glyzinen herabhängen. Der Terrassenboden ist mit unregelmäßig geschnittenen Steinen gepflastert, und in großen Terrakottakübeln wachsen Limonen-, Lorbeer- und Granatapfelbäume. Auch die Terrassenmöbel stehen im Schatten, ein Krug mit Eistee steht auf dem Tisch. Mrs. McGuane schenkt ihrem Sohn ein Glas ein. James arbeitet heute in der Kellerei; Weißwein der letztjährigen Ernte wird von Eichenfässern in Edelstahltanks umgefüllt. James trägt Jeans und ein hellbraunes T-Shirt, das vorn große Schweißflecken hat. Seine Schultern sind viereckig und kräftig wie die einer Bulldogge, das Shirt liegt über der Brust eng an. Er steht neben dem Tisch und leert das Teeglas mit ein paar Schlucken. Ein paar Minuten unterhalten sie sich, dann geht seine Mutter ins Haus. Er
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