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Außer Atem - Panic Snap

Außer Atem - Panic Snap

Titel: Außer Atem - Panic Snap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Reese
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die Scheinwerfer an. Sie tritt nicht zurück, sondern lehnt sich erneut gegen mein Auto.
    »Er war mal verheiratet«, sagt sie ruhig. »Hat meine Mutter Ihnen das erzählt?«
    »Nein«, erwidere ich und bin ehrlich überrascht. Niemand hat eine Ehefrau erwähnt.
    »Es ist lange her. James hat sie sehr geliebt. Seither hat er sich nie mehr mit einer Frau ernsthaft eingelassen – er hatte eine Menge Freundinnen, aber die haben ihm alle nichts bedeutet. Er ist nie darüber hinweggekommen.«
    Ich nicke, denn nun verstehe ich auch Ginas Warnung.
    »Wie lange sind sie denn schon geschieden?«, frage ich.
    »Sie sind nicht geschieden«, erwidert sie. »Seine Frau ist kurz nach der Hochzeit gestorben.«
    Plötzlich wird es mir in meinem Auto zu eng. »Woran ist sie gestorben?«, frage ich mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern ist.
    Ginas Lippen werden zu einer harten, geraden Linie. »Wir sprechen nicht darüber«, erklärt sie, richtet sich auf und fügt hinzu: »Nie.« Dann geht sie davon.

5
    Ich wache früh am Morgen auf, und mein Herz schlägt so schnell, dass ich das Blut in den Ohren pochen hören kann. Meine Brust schmerzt vor Luftmangel, als wäre ich die ganze Nacht über gerannt und gerannt und gerannt. Ich setze mich auf, sauge die Luft ein, atme schnell durch den offenen Mund und versuche, den Atem anzuhalten. Ich hatte wieder einen meiner Albträume. Oft bin ich mitten in der Nacht aus schlechten Träumen hochgeschreckt, doch in den letzten Jahren habe ich eigentlich immer ungestört durchschlafen können. Die schlimmen Träume waren schon so lange weg, dass ich dachte, ich hätte sie hinter mir, so als wäre ich aus einem alten Kleid endlich herausgewachsen. Aber nachdem ich James' Foto zum ersten Mal im
Wein-Anzeiger
gesehen hatte, sind sie zurückgekehrt.
    Vielleicht waren sie ja nie wirklich fort. Vielleicht haben sie sich die ganze Zeit über in meinem Kopf versteckt und nur auf eine Gelegenheit gewartet, mich zu erwischen, auf einen Moment, da ich denke, damit ist Schluss, keine Albträume mehr – um mir dann mit einem besonders schlechten Traum zuzusetzen.
    Ruhiger geworden, reibe ich mir die Augen und schaue mich im Zimmer um. Die roten Leuchtzahlen meiner Uhr verkünden 4.11. Die Nacht ist noch immer tiefschwarz. Irgendwann habe ich die Decken vom Bett gestrampelt, und das Laken ist verdreht und zur Seite gerutscht. Ich trage ein übergroßes ausgebeultes T-Shirt, das mir fast bis zu den Knien reicht. Ich fahre mit der Hand unter das Hemd und befühle meine Haut. Sie ist feucht und leicht glitschig vor Schweiß.
    Ich stehe auf, gehe durch das dunkle Haus, meine Füße tapsen über den Teppich im Flur. Düstere Schatten überall, doch ich muss kein Licht anschalten. Ich bin daran gewöhnt, mich in mitternächtlichem Dunkel zurechtzufinden, die Schatten ängstigen mich nicht – meine Albträume sind in meinem Kopf so weggeschlossen, dass ich sie nicht sehen kann. Das Linoleum in der Küche fühlt sich kühl an. Ich lehne mich gegen die Eisschranktür aus kaltem Metall und lasse meine Haut von ihr kühlen. Schließe die Augen und lehne auch meine Stirn gegen die Tür. Ich bin so müde.
    Ein paar Minuten später höre ich ein gedämpftes Quietschen. Erschrocken reiße ich den Kopf hoch, starre ins Dunkel und versuche, die Quelle des Geräuschs auszumachen. Ich horche. Nichts, kein Geräusch, auch kein gedämpftes Quietschen. Es war nichts. Schließlich entspanne ich mich und sage mir, dass das Gebälk des Hauses wohl stöhnt und ächzt wie die knirschenden Knochen eines alten Tieres, dass sich eine bequemere Position sucht.
    Ich gehe zurück ins Bett, unsicher, ob ich wieder einschlafen kann, und voller Angst vor einem weiteren Albtraum. Ich kann mich nie daran erinnern. Sobald ich erwache, sind die Träume weg, und ich bleibe völlig erschöpft und verängstigt zurück, ohne zu wissen warum. Die Ärzte haben gesagt, die Unfähigkeit, mich an die Träume zu erinnern, sei genauso eine Abwehrmaßnahme wie mein anhaltender Gedächtnisverlust: Ich sperre sie aus meinem Bewusstsein aus, um einer Angst aus dem Weg zu gehen, die ich nicht ertragen kann – oder nicht ertragen will. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass dieser Albtraum von dem Gedanken an James' tote Ehefrau ausgelöst worden ist.
    Ich beobachte einen Habicht, der als dunkler Schatten vor dem klaren blauen Himmel dahinschwebt und schließlich in einem weit entfernten Weingarten niedergeht. Nicht nur Wein wird auf

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