Außer Atem - Panic Snap
Miene wird herausfordernd. »Zu seiner Entlastung kann ich aber sagen, dass er meiner Ansicht nach niemanden bewusst verletzt. Er sagt, dass er einfach noch nicht die Richtige gefunden hat.« Sie zuckt leicht die Achseln, als sie ihre Verteidigungsrede beendet hat. »Jedenfalls sind Sie mir eine ganz besondere Freundin geworden, und ich war der Meinung, dass Sie das von James wissen sollten. Es wäre schrecklich für mich, mit ansehen zu müssen, wie Ihnen wehgetan wird.« Lächelnd fügt sie hinzu: »Und genauso schrecklich wäre es für mich, Sie deshalb als Köchin zu verlieren.«
»Ich mag Byblos«, sage ich. »Ich habe nicht vor zu gehen.«
In Wahrheit habe ich mich noch kaum damit beschäftigt, was geschehen wird, wenn ich die Wahrheit eines Tages aufdecke. Auch an seine Familie habe ich nicht gedacht. Natürlich werde ich gehen müssen. Weder Gina noch Mrs. McGuane werden mich noch in ihrer Nähe dulden, wenn James ins Gefängnis wandert.
Ich knabbere den Rest der geräucherten Putenbrust. Lange dünne weiße Streifen wie weiße Pinselstriche tauchen am Himmel auf. Es hat sich abgekühlt, und ich bin froh, dass ich einen leichten Pullover trage.
Wir schweigen eine Weile, ruhen uns aus und genießen den Rest des Chardonnay. Ich hatte nicht erwartet, dass ich auf Byblos Freundschaften schließen würde. Die einzige Frau, der ich mich jemals nahe gefühlt habe, ist Mrs. McGuane, eine Frau, die viel älter ist als ich, alt genug, um meine Mutter zu sein. Im Krankenhaus habe ich mich bitter darüber gegrämt, dass meine Mutter nicht kam. Doch je älter ich wurde, desto mehr habe ich die Tatsache akzeptiert, dass die Umstände – welche auch immer – meine Eltern von mir fern gehalten haben; ich habe mir etliche Erklärungen ausgedacht, um ihr Fernbleiben zu rechtfertigen. Manche waren logisch, andere an den Haaren herbeigezogen. Dabei habe ich meine Verbitterung nach und nach abgelegt und gelernt, ihnen gegenüber großzügig zu sein, was mir weiß Gott nicht immer möglich war. Dennoch kann ich es bis heute nur schwer ertragen, dass kein Verwandter, kein einziger Freund oder Bekannter, nicht einmal ein Lehrer sich gemeldet hat, dass es niemanden gab, der sich um mich gekümmert hat. Was für ein Mensch war ich, dass ich solche Missachtung provoziert habe? War ich ein Ungeheuer? War ich so verhasst, dass niemand sich auch nur die Mühe machte, mich vermisst zu melden?
Unbehaglich schiebe ich diesen Gedanken beiseite und denke stattdessen an James. Er verwirrt mich, ängstigt mich und schafft es doch unerklärlicherweise, dass ich ihn jedes Mal, wenn wir wieder zusammen sind, mehr begehre. Dieses Hingezogensein zu ihm ist unvernünftig und gefährlich, doch ich sehne mich nach seiner Haut, möchte seinen Körper spüren, seinen Penis in mir, möchte, dass er von mir Besitz ergreift. Ich schaue zu den Weingärten mit ihrem überquellenden frühsommerlichen Wachstum hinüber, sehe die Zweige, an denen winzige grüne Beeren wie süße kleine Erbsen hängen. Und dabei denke ich daran, wie James mich vereinnahmt, mir diesen archaischen Drang nach Sex einflößt, mein Blut mit Verlangen aufheizt wie die Sonne den Saft in den Reben. Die Lust, dieses uralte Bedürfnis hintergeht mich, bringt mich dazu, mich nach dem Mann zu sehnen, vor dem ich eigentlich fliehen sollte.
Ich lege mich auf die Seite, den Kopf auf den Ellbogen. Träge ziehen Wolken am Himmel dahin. Ich beschatte meine Augen mit der Hand, schaue zu Mrs. McGuane hinüber und sage: »Erzählen Sie mir von Anna.«
Ein paar Runzeln bilden sich in der papierenen Haut ihrer Stirn. Sie weicht meiner Frage aus, indem sie nach einem Schokoladentrüffel greift, ihn sich in den Mund schiebt und bewusst langsam kaut. Als sie fertig ist, sagt sie: »Da gibt es nicht viel zu erzählen.«
Ärgerlich setze ich mich auf und wische mir die Brotkrümel von den Hosenbeinen. »Warum spricht James nicht über sie?«, frage ich. »Warum spricht niemand über sie?«
Sie seufzt. Ihr Unterkiefer bewegt sich, und schließlich spricht sie doch. »James hat seine Frau sehr geliebt. Er möchte nicht, dass Anna erwähnt wird, und wir halten uns daran.«
Sie hält einen Moment inne und fährt dann fort: »Ihr Tod war ein tragischer Unfall, und ich glaube, dass er sich irgendwie dafür verantwortlich fühlt, obwohl er das natürlich nicht war. Sie ist einfach ausgeglitten und unter dem Handlauf durchgerutscht. Als ihr Kopf auf dem Betonboden aufschlug, war sie sofort tot. James hat
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