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Außer Atem - Panic Snap

Außer Atem - Panic Snap

Titel: Außer Atem - Panic Snap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Reese
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Tempel und zugleich sehr zeitgenössisch, ein beige- und terrakottafarbener Bau von präziser Geometrie, mit strengen Winkeln, glatten Oberflächen und gigantischen Säulen. Über Spaliere ranken Weinreben mit üppigem hellgrünen Laub am Haus empor.
    Ich schüttele meine Anspannung ab. Hier lauert nichts Finsteres, sondern moderne Skulpturen stehen verstreut auf dem Anwesen – verblüffende, drohende Kolosse, die aus der Erde hervorgebrochen zu sein scheinen, als wäre die Natur Amok gelaufen: ein über zwei Meter hoher faltiger Bronzedaumen, eine weiße Marmorskulptur, kurvig, von surrealer Formlosigkeit, eine üppige Anhäufung von Brüsten, die in ihrem Purpur einer prallen reifen Weintraube ähnelt.
    Der Chardonnay hat einen weichen, butterartigen Geschmack und einen Hauch von Vanille, der von den Eichenholzfässern stammt, wie ich von Mrs. McGuane gelernt habe. Und noch etwas hat sie mich gelehrt: Wein ist großer Musik sehr ähnlich – je mehr ich darüber weiß, desto mehr schätze ich ihn und erfreue mich an ihm. Ein herrlich gealterter Cabernet kommt einer Beethoven-Symphonie gleich, er ist klassisch, voller Schwingungen, tief und vielschichtig. Ein Pinot Noir dagegen ist eher wie Chopin, romantisch, sinnlich, exquisit, und ein Sauvignon Blanc ist reiner Jazz, lebendig und frech, mit einem unverschämten Nachklang.
    Mrs. McGuane wendet sich mir zu und sagt: »Sie und James haben eine Affäre, nicht wahr?«
    Überrascht schweige ich und nicke dann.
    »Das habe ich mir gedacht«, sagt sie und lässt den Perlenknopf ihres Pullovers in Ruhe. »James hat das natürlich nicht erwähnt, er ist mir gegenüber immer sehr verschwiegen, was seine Freundinnen angeht, aber ich habe gesehen, dass er Sie anders anschaut. Direkter, vertrauter. Auch Gina ist die Veränderung aufgefallen.«
    Sie berührt sanft meine Hand und nimmt sie dann in ihre. Ihre Hand ist viel größer als meine – sie ist überhaupt viel größer als ich – und obwohl sie fast siebzig ist, hat sie eine Robustheit, mit der ich nicht mithalten kann. Neben ihr wirke ich empfindsam, zerbrechlich und substanzlos.
    Sie lächelt, hält noch immer meine Hand. »Ich mag Sie sehr. Das wissen Sie doch, oder?«
    Ich nicke. Wir haben uns nach dem Küchenbrand versöhnt, allerdings habe ich sie hin und wieder ertappt, wie sie mit ihrer üblichen Umsicht die Brenner des Gasherds überprüfte, ehe sie zu Bett ging.
    »Ich denke, dass Sie James gut täten«, sagt sie. »Er könnte sich glücklich schätzen, jemanden wie Sie zu haben, aber ich bin mir nicht sicher, ob er Ihnen auch gut tun würde.« Sie hält inne, offensichtlich nicht an solche Themen gewöhnt, und lacht ein nervöses Lachen, das ihr im Hals stecken bleibt. »James ist ein wunderbarer Mann«, fährt sie fort, zupft abwesend an ihrem Pullover herum und weicht meinem Blick aus. »Er ist ehrlich, gerade heraus und arbeitet hart. Alle mögen ihn. Ich hoffe nur...«
    Mitten im Satz hält sie inne, zögert und fragt unsicher: »Ist das dort nicht James?«
    Ich drehe mich blitzschnell um. »Wo?«
    Mit zusammengekniffenen Augen starrt Mrs. McGuane in die Ferne. »Ich muss mich geirrt haben«, sagt sie. »James und Gina sind ja heute in San Francisco.«
    Ich suche das Areal der Weinkellerei mit Blicken ab. Wenn er da war und uns hinterherspioniert hat, dann ist er jetzt verschwunden. Als ich mich wieder umdrehe, sehe ich eine dunkelblaue Limousine die Straße heraufgeschossen kommen. Unvermittelt schlingert sie zum Randstein hinüber und bleibt mit laufendem Motor dort stehen.
    »Sie wollten mir etwas erzählen«, ermuntere ich Mrs. McGuane.
    Sie lächelt entschuldigend. »Ich mische mich da wohl in etwas ein, das mich nichts angeht. So ist es auch kein Wunder, dass mein Sohn seine Freundinnen vor mir geheim hält. Ich hoffe einfach nur...« Zum zweiten Mal an diesem Tag bringt sie ihren Gedanken nicht zu Ende.
    »Was hoffen Sie?«, hake ich nach.
    Wieder tätschelt sie mir die Hand. Ihre schneeweißen Augenbrauen rücken in einem Stirnrunzeln zusammen, und ein besorgter Ausdruck huscht über ihr Gesicht. »Ich hoffe nur, dass er Ihnen nicht wehtut, meine Liebe.«
    Ein ungutes Gefühl macht sich in meiner Magengrube breit. »Wie meinen Sie das?«, frage ich.
    Unbehaglich auf ihren Schoß herabstarrend, sagt sie: »Er scheint nie sehr lange mit einer Frau zusammen zu sein. In meiner Jugend hätten wir ihn einen Herzensbrecher oder Schürzenjäger genannt.« Sie hustet leicht, strafft die Schultern und ihre

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