Ausser Dienst - Eine Bilanz
oder Vasco da Gama gegeben, neu sind jedoch die in den achtziger und neunziger Jahren ziemlich plötzlich auftretende Verdreifachung der Zahl der an der Weltwirtschaft beteiligten Menschen und die schnelle Steigerung sämtlicher Ex- und Importe. Wir müssen auch weiterhin mit der Beschleunigung der Fortschritte von Naturwissenschaft und Technik rechnen. Ebenso müssen wir uns darauf einstellen, daß alle neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse und alle neuen Erfindungen und Technologien in kürzester Frist überall auf dem Globus zur Verfügung stehen. Ob es sich um Herztransplantationen handelt oder um gentechnologische Verfahren, um Kernkraftwerke, neue Hybrid-Autos oder Raketen und Satelliten – die Globalisierung nahezu aller Technologien ist in vollem Gange. Sie kann nicht mehr unterbrochen werden. Der Protest dagegen bleibt naiver Unfug.
Ebenso ist die Globalisierung des Handels mit Waren und Dienstleistungen nicht mehr umkehrbar. Zum Beispiel macht der deutsche Export inzwischen nahezu die Hälfte des Sozialprodukts bzw. des Volkseinkommens aus. Weder Bundesregierung noch Bundestag haben diesen enorm hohen Anteil der Außenwirtschaft gewollt oder gar geplant. Vielmehr war er eine Folgewirkung der Öffnung fast aller Grenzen und der Beseitigung früher geltender Handelshemmnisse in großen Teilen der Welt, besonders durch den gemeinsamen Markt in Europa. Zugleich spielten die Leistungsfähigkeit und der Leistungswille deutscher Unternehmen eine entscheidende Rolle. Das frühere Wehklagen einiger deutscher Unternehmer-Verbände über angeblich unzureichende oder sich sogar verschlechternde »Standortqualität« hat sich als gegenstandsloses Geschwätz herausgestellt. Ähnlich töricht ist das Wehklagen auf der anderen Seite: die ideologische Opposition gegen die fortschreitende Globalisierung unserer Wirtschaft. Wenn jemals eine deutsche Regierung den Versuch unternehmen sollte, den hohen Grad der Globalisierung unserer Volkswirtschaft herunterzufahren, wären ein erheblicher Verlust von Arbeitsplätzen und ein Absinken des Lebensstandards die unvermeidliche Folge.
Die Kehrseite unserer hohen außenwirtschaftlichen Verflechtung ist unsere zwangsläufig hohe Abhängigkeit von den Aufwärts- und Abwärtsbewegungen der Weltwirtschaft. Mir ist dieser Zusammenhang erstmals durch die beiden weltweiten Ölpreis-Explosionen in den siebziger Jahren schmerzhaft bewußt geworden. Weil wir vollkommen abhängig waren vom Import ausländischen Rohöls und weil eine Drosselung unseres Ölverbrauchs nur in sehr engen Grenzen möglich war, mußten zwangsläufig Wirtschaft und Verbraucher in der Bundesrepublikden in der Spitze auf das Zehn- und Fünfzehnfache gestiegenen Ölpreis bezahlen. Ebenso unvermeidlich waren ein vorübergehendes Defizit unserer laufenden Zahlungsbilanz und eine Rezession unseres Wirtschaftswachstums: Weil plötzlich viel mehr Geld für den laufenden Ölverbrauch benötigt wurde, konnte es nicht mehr wie gewohnt für andere Güter ausgegeben werden.
Die Abhängigkeit vom Ölimport ist ein besonders anschauliches Beispiel unserer weltwirtschaftlichen Verflechtung. Inzwischen ist der Ölpreis in US-Dollar weiter gestiegen – seit Anfang der siebziger Jahre auf das Fünfzigfache. In den letzten Jahrzehnten ist nicht die OPEC der Preistreiber gewesen, sondern die enorm gestiegene Ölnachfrage fast der ganzen Welt, insbesondere Chinas und anderer asiatischer Staaten. Nur langfristig und schrittweise kann durch die Erschließung neuartiger Energiequellen – Wind-, Solar- und Nuklearenergie stehen gegenwärtig im Vordergrund – unsere Öl-Abhängigkeit gemindert mindern.
Was für Deutschland gilt, gilt ähnlich für viele andere souveräne Staaten. Sie können ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen, ihren Arbeitsmarkt, ihren Staatshaushalt und ihre Steuer- und Abgabenquoten nach wie vor selbst beeinflussen oder sogar steuern, aber sie sind nicht mehr in der Lage, sich gegen die Weltkonjunktur abzuschirmen. Selbst die relativ gering in die Weltwirtschaft verflochtenen USA (mit einer güterwirtschaftlichen Exportquote von 8 Prozent und einer Importquote von 14 Prozent des amerikanischen Sozialproduktes) sind hinsichtlich der Finanzierung ihres laufenden Zahlungsbilanzdefizits und damit ihres eigenen Wachstums stark vom Ausland abhängig. Der ausländische Kapitalzufluß liegt gegenwärtig netto bei 6 bis 7 Prozent des amerikanischen Sozialproduktes jährlich. In diesem Umfang, das heißt
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