Außer Kontrolle: Thriller (German Edition)
Quälendes. Seine rechte Schulter und rechte Gesichtshälfte waren dick bandagiert, mehrere Finger an beiden Händen waren aneinandergetapt worden, er hinkte, seine Augen waren aufgequollen, und was von seinem Gesicht und Hals zu sehen war, war übersät mit Schnitt- und Brandwunden sowie Blutergüssen. Aber er hielt sich aufrecht und lehnte jede Hilfe seitens des Sanitäters ab. In der Tür nahm Ozek, wenn auch etwas wacklig, Haltung an und salutierte. » Bitte um Erlaubnis, das Wort an den Präsidenten richten zu dürfen«, sagte er, die Stimme heiser vom Einatmen von brennendem Düsentreibstoff und Aluminium.
» Natürlich, selbstverständlich, General. Aber so setzen Sie sich doch, mein Lieber«, rief Hirsiz.
Der Präsident wollte Ozek eigenhändig hinüber zum Sofa führen, doch der Offizier der Jandarma hob abwehrend eine Hand. » Tut mir leid, Herr Präsident. Aber ich muss stehen bleiben. Ich fürchte, ich wäre nicht imstande, wieder aufzustehen.«
» Was tun Sie hier, General?«, wollte Premierministerin Akas wissen.«
» Ich hatte den Eindruck, es ist wichtig, den Menschen in der Türkei zu zeigen, dass ich am Leben bin und meine Pflicht erfülle«, antwortete Ozek. » Außerdem wollte ich, dass der Nationale Sicherheitsrat weiß, dass ich Pläne für einen Vergeltungsschlag gegen die Führung der PKK ausgearbeitet habe. Der Augenblick zum Handeln ist gekommen. Wir dürfen jetzt nicht zögern.«
» Ihr Einsatz für Ihr Land und Ihren Auftrag in allen Ehren, General«, sagte die Premierministerin. » Trotzdem müssen wir zunächst…«
» Ich habe eine ganze Brigade ozel tim abmarschbereit gemacht. Sie können jederzeit losschlagen.« Die ozel tim waren Sondereinsatzkräfte für unkonventionelle Kriegsführung in der Jandarma und eigens für Operationen in unmittelbarer Nähe oder in vielen Fällen auch innerhalb von kurdischen Ortschaften und Dörfern ausgebildet, um Anführer der Aufständischen aufzuspüren und auszuschalten. Sie gehörten zu den am besten ausgebildeten Kommandotruppen weltweit– und waren nicht minder berüchtigt für ihr brutales Vorgehen.
» Sehr gut, General«, sagte Hirsiz. » Aber haben Sie denn schon in Erfahrung gebracht, wer sich hinter dem Angriff verbirgt? Wer ist der Anführer? Wer hat auf den Abzug gedrückt? Wer hat diesen Angriff angeordnet?«
» Das ist wohl kaum von Belang, Herr Präsident«, erwiderte Ozek, überrascht darüber, dass man ihm überhaupt eine solche Frage stellte. Sein stechender Blick, sein übel zugerichtetes Gesicht, dazu seine Wunden verliehen seinem ganzen Auftreten etwas Angespanntes, leicht Erregbares, ja, beinahe Wildes, insbesondere im Vergleich mit den anderen Politikern um ihn herum. » Wir sind im Besitz einer umfangreichen Liste mit bekannten Aufständischen der PKK , mit Bombenbastlern, Schmugglern, Finanziers, Anwerbern und Sympathisanten. Die Abteilung Innere Sicherheit und der Grenzschutz können die üblichen Verdächtigen aufgreifen und verhören– und die Rädelsführer überlassen Sie mir und den ozel tim.«
Präsident Hirsiz wandte den Blick von dem hitzigen General ab. » Ein weiterer Angriff auf irakischem Gebiet… Ich weiß nicht, General«, sagte er kopfschüttelnd. » Das müsste mit der amerikanischen und der irakischen Regierung abgesprochen werden. Sie müssten…«
» Bitte verzeihen Sie mir meine Bemerkung, Herr Präsident, aber beide Regierungen sind wenig effektiv und interessieren sich kein bisschen für die Sicherheitsbelange der Türkei«, fiel ihm General Ozek verärgert ins Wort. » Bagdad gewährt den Kurden sogar freie Hand, solange nur die Öl-Einnahmen weiter Richtung Süden fließen. Derzeit ziehen sich die Amerikaner gerade aus dem Irak zurück– so schnell sie können. Im Übrigen haben sie noch nie auch nur einen Finger krumm gemacht, um der PKK Einhalt zu gebieten. Und von ein paar Fotos und Telefonmitschnitten abgesehen, die sie uns gelegentlich vor die Füße werfen, haben sie noch nichts unternommen, um uns zu helfen– dabei reden sie unentwegt über den Krieg gegen den weltweiten Terror und bezeichnen die PKK selbst als Terroristentruppe.«
Hirsiz wurde still und paffte bekümmert an seiner Zigarette. » Besir hat ganz recht«, sagte Guzlev, der Militärstabschef. » Dies ist der Moment, auf den wir gewartet haben. Der Zusammenhalt der Regierung in Bagdad hängt an einem seidenen Faden; sie haben nicht einmal mehr die Kraft, ihre eigene Hauptstadt zu sichern, geschweige denn ihre Grenze
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