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Außer sich: Roman (German Edition)

Außer sich: Roman (German Edition)

Titel: Außer sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Fricker
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als ich in Miss Jordis Austin steigen wollte, kam uns ein Taxi entgegen. Heraus stieg meine Mutter.
    Was soll das, Thommy?, machte Thomas seine Mutter nach. Warum steigst du zu dieser, dieser, nun ja, Frau ins Auto??? Sie hatte mir neue Adidas Rom mitgebracht. Wir fuhren zum Essen in die Stadt. Sie quetschte mich aus. Wie ich dazu komme, mit einer Sekretärin zu verkehren, in solchen Kreisen. In-dis-ku-ta-bel! Sie sagte, sie werde mit Vater darüber reden. Eine Woche später holten sie mich ab und steckten mich in ein Internat in Süddeutschland. Nicht ohne sich bei der Internatsleitung zu beschweren (sie machten ein Riesentheater). Miss Jordi wurde entlassen. Das wars. Ich habe sie seither nie wiedergesehen.
    Drüben in Cap d’Agde stieg ein Feuerwerk. Jeden Freitagabend stieg ein Feuerwerk. Es sah schön aus. Es unterbrach für einen Moment die nervtötend hämmernden Bässe der Musik.
    Du musst sie besuchen, sagte ich, unbedingt. Du musst wissen, was aus ihr geworden ist. Er zuckte die Schultern. Ich weiß nicht, sagte er, ob ich wissen will, was aus ihr geworden ist.
    Ich ließ Wasser für ein Bad ein. Zog mich aus, stieg in die Wanne. Das Wasser war zu heiß. Ich hielt den Atem an. Es brannte an den Beinen, am Bauch, am Rücken, an der Brust. Pfffhhh. So. Ein heißes Bad. Ich spürte etwas in mir rennen, flinke Füßchen. Ganz deutlich, jetzt, wo ich ruhig lag. Wo alles so still war. Es waren keine Katzenfüße oder Hamsterfüße, sondern winzige weiche Menschenfüße.
    Ruhig liegen bleiben jetzt. Bleib liegen! Ich nahm das rotblaue Schiffchen aus der Seifenschale. Ließ es zu Wasser. Es schaukelte tapfer auf den Wellen. Ich stupste das Schiffchen mit dem Finger an. Fahr, los, fahr hinaus aufs Meer. Raus aus dieser Badewanne, ab in die Freiheit der Weltmeere! Der Ozeane! Das Plastikschiff stieß gegen die Wände der Wanne. Tock, tock.
    Hallo Capitano, dort draußen, wie geht es dir? Bestimmt hatte er einen Bart. Einen Seebärenbart, der schon etwas grau geworden war. Ich sah die Avenir in türkisblauem Wasser dümpeln, ich sah sie durch die rauen Wasser des Atlantiks pflügen. Eine Frau an Thomas’ Seite konnte ich mir noch immer nicht vorstellen. Die derben Segel des Kutters unter schwerem Wetter zerrissen, zusammengeflickt, wieder zerrissen. Thomas gab ja niemals auf.
    Die Badewanne hatte Schmutzränder. Ich rieb sie mit dem Finger ab. Die schwarzen Krümel fielen ins Wasser.
    Ich sah Sebastian stehen am Vordersteven des Kutters. Sah, wie der Wind ihm die Haare nach hinten kämmte. Seinen muskulösen, nackten Oberkörper, braun gebrannt. Den starken Schultergürtel, die Rinne über der Wirbelsäule. Löchrige, ausgeblichene Jeans voller weißer Farbe, hochgekrempelt. Wie er sich den rechten Fuß seitlich ans Knie legt. Einbeinig das Schaukeln des Schiffes ausbalanciert. Die Arme ausbreitet. Zu fliegen scheint, während der Kutter still steht, fest vertäut an der Kanalmauer.

2
    Im Büro hatte bisher niemand nach Sebastians Fortschritten gefragt. Sie nahmen keine besondere Rücksicht und ich war ihnen dankbar dafür. Normalität. Sie planten, diskutierten, machten gute und schlechte Witze, wie immer, wie früher. Ich bat um die kleineren Aufträge, Ausbau Dachgeschoss, Anbau Wintergarten, Sachen, die sonst niemand machen wollte. Vorerst würde ich es nicht schaffen, größere Projekte zu betreuen. Oder ich traute mir im Moment keine zu. Jeden zweiten Tag fuhr ich hinaus zu Sebastian. Seit Wochen ging nichts mehr voran. Er konnte mit Hilfe gehen und essen. Er hatte kaum eigenen Antrieb, man musste ihn ziehen, schieben, drehen. Man füllte den Löffel mit Brei, führte die Hand mit dem Löffel zum Mund. Von Bewusstsein keine Spur.
    Die Bahn zuckelte entlang des Sees ostwärts. Es war fast Frühling geworden. Als ich ausstieg, roch die Luft nach Bärlauch. Würzig, etwas streng. Ich zündete mir eine Zigarette an. Ich ging zu Fuß hinunter zur Klinik. Alles in mir sträubte sich. Ich hasste diesen Weg. Ich hasste den formlosen, weit ausladenden, weißen Klinikbau. Die Kiefernwälder dahinter, den riesigen, immer vollen Parkplatz davor. Die stramm stehenden, plumpen Lampen, die nachts den Gehweg beleuchteten. Ich hasste die Aussicht über den See. Ich hasste die Rollstühle, die Gehhilfen. Die Ärzte, die nichts Genaues wissen wollten. Die Krankenkasse, die meinte, es sei nun bald genug Zeit vergangen.
    Die Frau am Empfang telefonierte. Sie blickte kurz auf und nickte mir zu. Ich trat ein in das Geflecht

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