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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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von 2006“, antwortete ich hoheitsvoll, fügte aber nach einer kleinen Pause hinzu: „Gut, ich werde Ihnen Ihr Essen rausbringen. Aber glauben Sie ja nicht, dass ich Ihre Starallüren die ganze Fahrt über unterstützen werde.“

    Als ich nach fünf Minuten voll beladen auf dem Spielplatz ankam, saß Nils mit Baseballkappe und Sonnenbrille auf einer abgelegenen Bank und ließ sich die Sonne aufs Gesicht scheinen.
    „Oh, keine Fantraube um Sie herum! Ihre Verkleidung scheint zu funktionieren“, stichelte ich.
    Nils machte sich wortlos über sein Essen her. Schnell öffnete auch ich meine Tüten und nahm ein Smarties-Eis, Pommes frites, einen Gartensalat und zwei Veggie-Burger heraus.
    „Warum wundert es mich nicht, dass Sie Vegetarierin sind?“
    „Warum wundert es mich nicht, dass Sie mich zu McDonald’s gelotst haben? Wissen Sie überhaupt, dass die Rinderhaltung maßgeblich an der Verringerung der Ozonschicht Schuld ist?“
    Er warf auf einen Blick auf mein volles Tablett. „Und deswegen boykottieren Sie diese Kette?“
    Ich ignorierte seine Ironie. „Normalerweise schon. Ich habe nur Ihnen zuliebe etwas bestellt. Denn wie Sie bestimmt bemerkt haben, bin ich mit leerem Magen ziemlich unausstehlich.“
    Herzhaft biss ich in einen Burger und verspeiste ihn mit wenigen Bissen. Dann machte ich mich über seinen Partner, die Pommes frites und den Salat her, zuletzt über das Smarties-Eis.
    „Sie essen ein Dessert?“
    „Wenn Sie ein McDonald’s-Eis als Dessert bezeichnen … Isst Ihre Freundin Anja kein Dessert ?“ Das letzte Wort betonte ich ironisch.
    „Woher wissen Sie …?“
    „Meine Schwester hat es mir erzählt.“
    „Dann ist sie nicht richtig informiert. Wir sind schon seit einem Monat nicht mehr zusammen.“
    „Warum nicht?“
    „Ihr Inneres hat nicht das gehalten, was ihr Äußeres versprochen hat.“
    Ich verzog das Gesicht. „Was ist denn das für ein Satz? Wollten Sie mit ihr über Nietzsche diskutieren?“
    Doch Nils zuckte bloß mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. Nachdem er einen tiefen Zug inhaliert hatte, lehnte er sich zurück und musterte mich.
    „Sie haben vorhin auf dem Parkplatz etwas über ein Seminar erzählt, das Sie halten müssen. Sind Sie Lehrerin oder Dozentin an der Uni?“
    „Fast. Ich bin ehrenamtliches Mitglied in der SPD und halte Vorträge und Seminare über Immigration und Rechtsextremismus.“
    „Davon kann man leben?“
    „Ja. Kann man. Ich muss aber am Handy sparen.“ Nils lachte und ich fuhr fort: „Nein. Hauptberuflich arbeite ich beim Deutschen Gewerkschaftsbund mit dem Schwerpunkt Bildungspolitik. Die Seminare halte ich ehrenamtlich. Ich bekomme lediglich eine kleine Aufwandentschädigung dafür.“
    „Und was reizt Sie dann an dieser Aufgabe?“
    „Ich finde es interessant, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sich über Kinderarbeit in Indien mehr Gedanken machen als über ihre Kleidung.“ Und dann konnte ich es schon wieder nicht lassen: „Für Sie wäre das bestimmt eine komplett neue Erfahrung.“
    Doch Ironie oder Sarkasmus schienen an diesem Menschen abzuprallen wie Pistolenkugeln an einer Bleiweste, denn Nils antwortete nur gleichmütig: „Womöglich. Vielleicht sollte ich ein Seminar bei Ihnen besuchen. Das würde mir bestimmt völlig neue Welten eröffnen.“
    „Bitte nicht. Sie würden mir ja den ganzen Kurs durcheinanderbringen.“ Verschwörerisch sah ich ihn an. „Sie wissen schon, Ihre Fans … Außerdem müssten Sie SPD-Mitglied sein. Aber lassen Sie mich raten! Sie sind überzeugter CSU-Wähler.“
    „Natürlich. Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?“
    „Ja. Ihre schwarze Gesinnung steht Ihnen ins Gesicht geschrieben.“
    „Und welcher Tätigkeit gehen Sie in Ihrem Hauptberuf nach?“ Anscheinend wollte Nils das Gespräch so schnell wie möglich von unseren grundverschiedenen politischen Orientierungen wegbringen.
    „Ich informiere Schüler an Berufsschulen über den DGB, vertrete ihn bei Pressekonferenzen in bildungspolitischen Fragen und ich bereite Demos vor. Momentan führt meine Abteilung eine Umfrage durch, welche Möglichkeiten es gibt, die beruflichen Chancen von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.“
    Nils’ Mundwinkel verzogen sich geringschätzig nach unten. „Diese Frage kann ich auch ohne Umfrage beantworten.“
    „Blenden Sie mich mit Ihrem Wissen!“
    „Die beruflichen Chancen dieser bedauernswerten Menschen würden sich von alleine bessern, wenn sie dazu

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