Aussicht auf Sternschnuppen
Kleidungsstil würde ein schlechtes Licht auf dein eigenes Alter werfen.“
„So ist es auch. So alt, wie du durch deine Kleidung wirkst, müssen die Leute ja denken, dass ich schon mindestens sechzig bin, sollte ich dich nicht mit vierzehn bekommen haben.“
„Du bist 58.“
„Das ist nicht 60. Und ich wäre garantiert die schickste Oma der Stadt“, fügte sie noch hinzu. „Auf jeden Fall musst du ihn dir warm halten. Ihr werdet bestimmt schöne Kinder bekommen.“
„Das hast du bei Olli auch gesagt.“
„Paah, der!“ Milla blies verächtlich Luft aus. „Wenn ich gewusst hätte, wie er dich behandelt hat, hätte ich ihm seinen kleinen Knackarsch versohlt. Du wirst doch deinen Giuseppe nicht mit diesem Versager vergleichen!?“
Nein, das tat ich tatsächlich nicht, denn abgesehen von ihrer Haarfarbe Schwarz hatten die beiden nichts gemein.
Olli hatte bereits, als ich ihn kennen lernte, ein abgebrochenes Jurastudium hinter sich. Kurz darauf begann er mit dem Studiengang Maschinenbau, der aber auch nicht die erhoffte Erfüllung zu bringen schien.
Zu Beginn unserer Beziehung hatte meine Mutter ihn immer verteidigt. Wenn ich auf sein Unvermögen zu sprechen kam, sich auf Prüfungen vorzubereiten und diese zu bestehen, verglich ihn Milla stets mit meinem Vater, der auch nur auf Umwegen zu seinem Traumberuf Steuerberater (!) gekommen war. Olli hingegen, da war ich mir sicher, würde auf ewig Student sein, sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten und seine Freundinnen quälen.
Giuseppe war glücklicherweise ganz anders. Seit mehr als zehn Jahren arbeitete er als Unternehmensberater bei der Allianz AG in München. Er war freundlich und ausgeglichen und brachte mir häufig kleine Aufmerksamkeiten wie Pralinen oder Blumen mit. Gut, er verbrachte neuerdings ziemlich viel Zeit im Fitnessstudio, aber sein Rücken machte ihm zu schaffen und sein Physiotherapeut hatte ihm dringend zu körperlichem Ausgleich geraten.
„Jetzt fahren Sie endlich langsamer. Da vorne ist ein Stau.“ Unsanft riss mich Nils’ Stimme aus meinen Träumereien und ich bremste so abrupt ab, dass der Smart leicht ins Schlingern kam. Autofahren war tatsächlich keine große Stärke von mir.
„Wollen Sie uns umbringen?“ Hektisch griff Nils mir ins Lenkrad. „Frauen am Steuer.“
„Nehmen Sie Ihre Finger weg!“ Unsanft schob ich seine Hand zur Seite. „Ich bin nur so heftig auf die Bremse getreten, weil Sie wie ein Irrer herumgeschrien haben.“
„Nein. Sie haben vor sich hingeträumt.“
„Habe ich nicht. Haben Sie mich etwa beobachtet?“
„Irgendwohin muss ich schließlich schauen und die Auswahl hier auf der Autobahn ist nicht besonders groß. Über was haben Sie denn so angestrengt nachgedacht?“
„Das geht Sie gar nichts an!“
„Sind Sie immer so kratzbürstig?“
Ich bekam augenblicklich ein schlechtes Gewissen.
„Nein, bin ich nicht. Aber zur Zeit läuft es bei mir nicht so gut.“
„Wollen Sie mir erzählen, was Sie bedrückt? Wir werden schließlich noch mehrere Stunden zusammen im Auto sitzen und auf Dauer ist es doch etwas langweilig, sich immer nur gegenseitig anzuschweigen.“
„Das Anschweigen ging aber nicht alleine von mir aus.“
„Ich weiß.“ Er grinste und um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen. „Es tut mir leid. Ich war vorhin nicht besonders nett zu Ihnen. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich gestern Nacht nicht besonders viel geschlafen habe.“
„Zuviel gefeiert?“, fragte ich provozierend.
„Ich merke schon. Ihre Schwester hat Sie über meinen Ruf aufgeklärt. Aber ich muss Sie enttäuschen: Keine Disko. Ich habe gearbeitet.“ Nils machte ein bedauerndes Gesicht.
„Nachts?“
„Ich habe meinen Text auswendig gelernt. Am Montag beginnen die Dreharbeiten zu einer Serie. Es ist eine Neuverfilmung von Ein Haus in der Toskana .“
„Oh, das war früher meine Lieblingsserie!“, rief ich begeistert. „Mit 16 war ich nämlich fest entschlossen, sobald wie möglich in die Toskana auszuwandern. Bisher war ich allerdings noch nicht einmal im Urlaub dort.“
„Jetzt kommen Sie hin.“
„Stimmt. Und die Dreharbeiten finden in Vinci statt?“
„Nein. In der Maremma. Aber am Samstag trifft sich das ganze Team zusammen mit den Produzenten und dem Regisseur in Vinci zu einem Kennenlernwochenende.“
„Und welche Rolle spielen Sie? Nein, sagen Sie nichts! Die des arroganten Immobilienmaklers.“
„Stimmt. Ich bin beeindruckt. Wie haben Sie das
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