Aussicht auf Sternschnuppen
wieder zu Hause war? Aber zu spät! Ich saß hier auf halbem Weg zwischen einem miesen kleinen See und einem Parkplatz fest, auf dem bestimmt kein Smart und kein kettenrauchender Machoschauspieler auf mich warten würden. Alles meine Schuld! Zumindest fast.
Als ich gerade dabei war, mich so richtig schön im Selbstmitleid zu suhlen und zu überlegen, ob Tränen den Kloß in meinem Innern nicht vielleicht doch ein wenig erweichen konnten, klingelte mein Handy. HDK! Er wartete bestimmt immer noch auf die E-Mail, die er niemals erhalten sollte. Prima! Jetzt war ich also nicht nur meinen Mitfahrer nebst Leihwagen los, sondern auch noch meinen kleinen Zusatzverdienst. Resigniert zog ich das Handy aus meiner Hosentasche. Das Display zeigte Fees Nummer an. Ich wartete einen Moment, um mich wieder zu sammeln und holte dann tief Luft.
„Ja?“
„Helga? Es ist etwas Schreckliches passiert. Kann ich kurz mit dir reden.“
„Nein“, dachte ich, denn ich hatte momentan keine Lust darauf, mit dem Hintern im Matsch zu sitzen und mir das bestimmt höchst banale Problem meiner vom Glück verwöhnten Schwester anzuhören.
„Klar. Erzähl!“
„Sam möchte Lehrer werden.“
Ich ließ diese Neuigkeit kurz auf mich wirken. „Aber er ist bereits Apotheker.“
Fee schluchzte. „Aber er kann sich nicht vorstellen, sein ganzes Leben lang Klosterfrau Melissengeist und Potenzmittel zu verkaufen und 18 Stunden am Tag zu arbeiten wie sein Vater. Er möchte mehr Zeit für mich haben.“
„Das ist doch eigentlich sehr nett“, sagte ich vorsichtig.
„Nein, ist es nicht“, heulte Fee. „Was will ich mit einem Mann, der immer zu Hause ist? Ich bin selbst nie da.“
„Und nun will er wieder studieren?“
„Nein. Mathematiklehrer werden händeringend gesucht. Er muss nur das Referat machen.“
„Referendariat“, verbesserte ich sie mechanisch. „Hat Sam es schon seinem Vater erzählt?“ Sams Vater gehörten gleich zwei gutgehende Apotheken in der Münchner Innenstadt.
„Nein. Aber er will es nächstes Wochenende tun. Und dann wird ihn sein Vater rausschmeißen und seine Kreditkarten sperren lassen. Da bin ich mir sicher. Ich kenne Peter. Der zieht das durch.“
Hm, das war natürlich wirklich ein Problem. Zumindest ein größeres als bei Best Secret die letzten mauvefarbenen Ugg-Boots direkt vor der Nase weggeschnappt zu bekommen – der Grund ihres letzten verzweifelten Anrufs.
„Aber ihr seid noch zusammen?“, fragte ich.
„Noch. Aber wenn er sein Vorhaben wirklich durchsetzt, kann ich für nichts mehr garantieren. Lehrer …“ Fee schnaubte.
„Jetzt warte erst einmal ab“, versuchte ich sie mit den gleichen Worten zu beruhigen, wie sie mich heute Morgen. „Bestimmt ist Sam im Moment nur ausgebrannt. Du wirst sehen, wenn er ein paar Nächte darüber geschlafen hat, wird er selbst einsehen, dass es eine Schnapsidee ist, noch einmal mit einer neuen Ausbildung anzufangen, wenn er schon bald Besitzer von zwei Apotheken kann.“
„Meinst du wirklich?“
„Natürlich.“ Ich gab meiner Stimme einen entschlossenen Klang. „Und hat Sam nicht letztens erst gesagt, dass er Kinder nicht ausstehen kann?“
„Stimmt. Na ja, vielleicht ist es wirklich nur eine Kurzschlussreaktion, weil er in letzter Zeit so viel gearbeitet hat, und ich sollte erst einmal das Wochenende abwarten …“ Fee klang schon wieder etwas fröhlicher. Es war bewundernswert, wie schnell sie es immer wieder schaffte, alles Negative weit von sich zu weisen. „Und, was gibt es bei dir Neues? Ist das Auto noch ganz?“
„Ja, so bescheiden, wie du immer tust, sind meine Fahrkünste nun wirklich nicht.“
„Und sonst …? Du hörst dich nicht gut an.“
„Nein, alles in Ordnung.“ Möglichst geräuscharm versuchte ich, meine Nase hochzuziehen.
„Wo bist du denn?“
„Ach, in der Nähe eines Sees. Nils wollte unbedingt eine Wanderung dorthin unternehmen.“
„Wie romantisch!“ Fee seufzte.
„Ja, es ist toll mit diesem arroganten, verzogenen Promi irgendwo im Nirgendwo herumzulaufen.“
„So schlimm kann dieser Schöneberger gar nicht sein. Meine Kollegin Karen hat letztens einen Beitrag über ihn gedreht und sie meinte, es sei wirklich sehr chillig gewesen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Absolut unkompliziert.“
„Schön für deine Kollegin. Das mag für eine berufliche Zusammenarbeit auch gelten. Es ist aber überhaupt nicht chillig, sich mit ihm ein Auto zu teilen“, sagte ich höhnisch.
„Hast du etwas von Giuseppe
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