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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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üben.“
    „Enthaltsamkeit üben …“ Nils lachte spöttisch und blies provozierend einen besonders großen Kringel in die Luft. „Damit kennen Sie sich bestimmt gut aus.“
    In diesem Moment machte etwas Ping in mir und danach herrschte in meinem Gehirn für 30 Sekunden nur noch Schwärze. Aber ich musste mir in dieser Zeit wohl Nils’ Zigaretten geschnappt und sie in hohem Bogen ins Wasser geschmissen haben. Auf jeden Fall war sie, als ich wieder zu mir kam, gerade dabei, den silbrig-glänzenden Teppich mit einem kaum hörbaren Geräusch zu durchbrechen und wippte nun vor meinen Augen gemütlich auf und ab.
    „Sind Sie total übergeschnappt!“, fuhr Nils mich wütend an. „Sie können doch nicht einfach meine Zigaretten ins Wasser werfen.“
    „Doch, kann ich. Und in ein paar Jahren wird Ihnen Ihre Lunge dafür dankbar sein.“
    Nils sah mich an, als wolle er noch etwas sagen, doch dann ging er wortlos davon.
    Sollte er doch! Ich würde noch ein wenig hier sitzen bleiben, die wunderschöne Aussicht genießen und mich in meinem Triumph sonnen. Dieser Idiot! Dem hatte ich es gezeigt!

    Doch meine Genugtuung währte nur kurz. Denn nachdem ich mir bestimmt fünf Minuten lang immer wieder Nils’ dummes Gesicht ins Gedächtnis gerufen hatte, kam mir auf einmal ein schrecklicher Gedanke in den Sinn: Nils hatte unsere Autoschlüssel! Was, wenn er mich einfach hier stehen lassen und allein weiterfahren würde?
    Schnell sprang ich auf und lief hüpfend, so schnell ich mit meinem schmerzenden rechten Fuß konnte, den Berg hinunter. Ich verfluchte mich innerlich. Warum musste ich mich von Nils provozieren lassen? Normalerweise war ich ausgeglichen und bestrebt, nirgendwo anzuecken. Wieso schaffte es dieses Schauspielersöhnchen ständig, die finstersten, sonst absolut verschütteten Ecken meines Charakters ans Tageslicht zu bringen? Es musste der Stress sein! Welche Frau wäre schließlich nicht gestresst, wenn sie sehen würde, wie ihr Liebster mit einer fremden Frau zusammen nach Italien fährt, obwohl er ihr erzählt hat, er müsse auf Geschäftsreise? Jede, oder etwa nicht?
    Ich musste vergessen haben, irgendwo abzubiegen. Denn auf einmal kam ich an einem Alpengasthof vorbei, den ich auf dem Hinweg garantiert nicht passiert hatte. Ein Schild in der Tür wies darauf hin, dass er wegen Betriebsauflösung geschlossen sei. Mit seinen grünen Fensterläden und der Fassade aus groben Holzstämmen hätte das Haus idyllisch wirken können, wäre es nicht so vernachlässigt gewesen. Vor dem Haus lagen einige umgedrehte Ruderboote, die mit ihrer abgeplatzten braunen Lackschicht wie traurige Käfer aussahen, die Blumentöpfe auf dem Hof waren vertrocknet, einige Fensterscheiben zerbrochen. Den einzigen Farbklecks in dieser tristen Szenerie bildete eine knallgelbe Plastikrutsche auf einem ansonsten verfallenen Kinderspielplatz.
    Auf einmal jaulte ich auf. Ich hatte beim Hinunterlaufen nicht auf den Weg geachtet und war auf einer Eisscholle ausgerutscht. Unsanft plumpste ich auf den Po und knickte dabei auch noch mit dem linken Fuß um. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt ich an und massierte einige Augenblicke mein malträtiertes Hinterteil und den Knöchel. Vorsichtig versuchte ich aufzutreten und stellte zu meiner Erleichterung fest, dass ich mir wohl nur das Außenband ein klein wenig gezerrt hatte. Im Gegensatz dazu fühlte sich meine rechte Ferse aber mittlerweile an, als hätte ich ein eng bestecktes Nadelkissen im Schuh. Vielleicht wäre es das Beste, ihn auszuziehen und barfuß weiterzugehen. Doch bereits nach den ersten Schritten wusste ich, dass dies keine gute Idee war. Denn mein Strumpf war sofort durchnässt und die vielen kleinen Kiesel unter mir waren fast noch schlimmer als das Nadelkissen. Mein Fuß tat jetzt nicht mehr nur an der Ferse, sondern überall weh.
    Das war alles zu viel!
    Ohne auf den feuchten Boden zu achten, ließ ich mich am Wegrand nieder und merkte, dass sich meine Augen mit Wasser zu füllen begannen. Energisch wischte ich die Tränen weg. Nein! Ich würde nicht weinen. Ich weinte niemals. Jedenfalls nicht wegen einer Blase am Fuß oder wegen eines geprellten Pos. Das war doch Unsinn! Einen Moment lang schloss ich die Augen und drückte meine Hände fest dagegen. Was für ein mieser Tag! Was hatte ich nur verbrochen, um dies alles erleben zu müssen? Warum war ich nicht einfach in München geblieben, hatte Giuseppe angerufen und um eine Erklärung gebeten oder gewartet, bis er am Dienstag

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