Aussicht auf Sternschnuppen
ebenfalls ein wenig überzogen. Sie haben sich schließlich nur eine Zigarette angezündet …“
Ich bemerkte auf einmal, wie dicht wir voreinander standen. Seine Augen waren grün und nicht braun, wie ich zuerst gedacht hatte, und um die Iris herum von kleinen goldenen Punkten durchbrochen. Es waren schöne Augen … Sternchenaugen! Meine Knie wurden weich und in meinem Magen begann es zu flattern.
Mein Gott, was hatte ich nur für dämliche Gedanken! Sternchenaugen! Der Stress der letzten Stunden musste mir das Gehirn vernebelt haben. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück und ließ meine Hand teleskopartig nach vorne schießen.
„Frieden?“, fragte ich.
Nils zögerte einen Moment, dann nickte er.
„Frieden!“
Er griff meine Hand und hielt sie kurz fest. Doch dann ließ er sie abrupt los, fast so, als hätte er auf eine heiße Herdplatte gegriffen.
„Fahren wir weiter!“
Nachdem mein Fuß verarztet war und Nils’ Oberarm ein hautfarbenes Nikotinpflaster von der Größe einer Mandarine zierte, setzten wir unseren Weg nach Italien fort. Außerdem hatte ich mir einen Stadtplan von Verona gekauft und ganz nebenbei auch mein kleines HDK-Problem gelöst. Als Nils nämlich sein Handy nach der Adresse der nächsten Apotheke befragte, war mir der unschlagbare Vorteil des iPhones aufgefallen: Man konnte mit ihm ins Internet gehen. Eventuell würde es sich doch lohnen, über den Kauf eines etwas neueren Geräts nachzudenken. Auf jeden Fall hatte ich mit Nils’ Hilfe in weniger als fünf Minuten nicht nur meine Teilnehmer über den krankheitsbedingten Ausfall des Seminars informiert, sondern HDK auch stolz mitgeteilt, dass ich mein Problem selbst lösen konnte.
Danach merkte ich erst, wie erschöpft ich eigentlich war. Müde ließ ich mich auf den Beifahrersitz sinken und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft, bis alles zu einem unscharfen Film verschwamm und ich einschlief.
Ich wurde von den Klängen von „Green Sleeves“ geweckt. Schlaftrunken öffnete ich die Augen und fand mich inmitten eines verschneiten Alpenpanoramas wieder. Verstört kramte ich mein Handy aus der Hosentasche.
„Ja.“
„Cara, wie schön deine Stimme zu hören.“
Ich schoss auf dem Sitz hoch. „Giuseppe?“
„Hast du mit jemand anderem gerechnet?“
„Nein, ich bin nur kurz eingenickt und noch etwas schlaftrunken.“
„Wo bist du denn?“, frage Giuseppe verwundert. „Ich habe es eben zu Hause probiert, aber du bist nicht rangegangen.“
„Äh“, ich suchte krampfhaft nach einer glaubhaften Erklärung und blickte mich um, „ich sitze gerade in der Tram-Bahn. Gut, dass du mich geweckt hast. Wer weiß, wo ich sonst aufgewacht wäre?“
Giuseppe lachte. „Ich wollte dir nur sagen, dass die Vollsperrung endlich aufgehoben worden ist und ich mich auf dem Weg nach Verona befinde.“
„Rufst du an, wenn du da bist?“
„Mach ich. Ti amo.“ Er legte auf.
Gleich darauf wurde ich tiefrot. Ich hatte völlig vergessen, dass ich mich nicht allein im Auto befand. Was würde Nils jetzt von mir denken? Er hatte mich nun schon ein zweites Mal bei einer Lüge ertappt. Doch der schaute stoisch auf die Straße vor uns.
„Wo sind wir?“, fragte ich.
„Wir fahren gerade über den Jaufenpass in Richtung Meran. Ich dachte, es wäre besser, die A22 weiträumig zu umfahren.“
„Ist es ein großer Umweg?“
„Nein. Vielleicht 30 Kilometer.“
„Und wie weit ist es noch bis nach Verona?“
„Ich denke, noch etwa 200 Kilometer.“
„So weit noch.“ Ich verzog das Gesicht und starrte aus dem Fenster. Schneefelder soweit das Auge reichte und darüber ein strahlend blauer Himmel. Wäre ich nur unter anderen Umständen hier gewesen!
Nachdem wir den Jaufenpass hinter uns gelassen hatten, wartete eine Überraschung auf mich! Hatte der Frühling auf der anderen Seite des Berges bisher nur recht verhalten den Winter abgelöst, so ergoss sich nun vor meinen Augen eine verschwenderische Farbenpracht. Sattgrüne Wiesen, rosa blühende Bäume und an einigen Stellen streckten sogar einige Palmen ihre stacheligen Arme in den Himmel.
Meran selbst erwies sich als gemütliches, etwas altmodisches kleines Kurstädtchen mit vielen pastellfarbenen Häusern, deren Fassaden durch weiße Stuckelemente und altmodisch verschnörkelte Messingbalkone verschönert wurden. Unzählige Straßencafés luden zum Verweilen ein. Fast enttäuscht schlug ich Nils’ Angebot, mich auf einen Café einzuladen, aus. Auch Bozen und Trento
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