Aussicht auf Sternschnuppen
gehört?“
„Ja, er steckt in einem Stau fest und wird heute Abend nicht mehr bis nach Lucca fahren, sondern eine Nacht in Verona bleiben.“
„Ist das gut oder schlecht?“
„Gut natürlich. Jetzt erfahre ich früher, ob Giuseppe mich betrügt oder nicht.“
„Und wie willst du ihn in Verona finden?“
„Er ruft mich später an, wenn er weiß, in welchem Hotel er absteigt.“
„Halt mich auf dem Laufenden!“
„Mach ich.“
Ich drückte auf die Aus-Taste. Das Gespräch hatte meine Verzweiflung ein wenig eingedämmt, zumindest so weit, dass ich nun nicht mehr vorhatte, mich den nächsten Hang hinunterzustürzen. Doch eine Lösung für mein Problem hatte ich dadurch nicht gefunden. Vielleicht würde es klappen, wenn ich nur den vorderen Teil meines Fußes in den Schuh steckte. Ich versuchte es. Doch wirklich schnell kam ich auf diese Weise nicht voran, da ich ihn ständig verlor.
Als ich gerade dabei war, zum gefühlten hundertsten Mal danach zu angeln, hörte ich auf einmal Nils’ Stimme. „Hier sind Sie also! Ich habe Sie gesucht.“ Auf einmal wurde er stutzig und schaute an mir herunter. „Was ist mit Ihrem Fuß?“
Ich verdrehte die Augen. „Ich habe eine Blase. Sieht man das nicht? Oder warum sollte mein Fuß wohl sonst nur halb im Schuh stecken?“
„Zeigen Sie her!“ Er kniete vor mir nieder. „Wir müssen Heilsalbe und Verband besorgen. Ich kann Ihre Ferse damit so polstern, dass Sie Ihren Schuh wieder anziehen können.“
„Woher kennen Sie sich so gut mit Blasen aus? Durften Sie schon einmal den Oberarzt in irgendeiner Krankenhausserie spielen?“, fragte ich zynisch.
„Erraten! Aber jetzt kommen Sie! Ich werde Sie das letzte Stück tragen. Wenn Sie in diesem Tempo weiterhumpeln, sind wir heute Abend noch hier.“
„Nein!“ Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Auf keinen Fall. Ich bin viel zu schwer für Sie.“
„Ich bitte Sie.“ Nils musterte mich von oben bis unten. „Sie sind spindeldürr und wiegen bestimmt kaum 60 Kilo.“
„Ich wiege 65 Kilo.“
Er lächelte belustigt. „Auch kein Problem. Und jetzt stellen Sie sich nicht so an! Ich tu Ihnen nichts.“ Er ging einen Schritt auf mich zu und streckte die Arme aus.
Ich gab mich geschlagen. „Soll ich auf Ihren Rücken steigen?“
„Wäre wohl am besten.“ Nils stellte sich vor mich und ich hüpfte unelegant auf ihn drauf.
Ich kam mir unglaublich albern vor und hoffte inständig, dass Nils nicht so bekannt war, dass er ständig von Paparazzi verfolgt wurde. Wir beide in dieser Situation auf dem Titelblatt einer Illustrierten? Das hätte mir gerade noch gefehlt! Nur mit Mühe konnte ich ein hysterisches Kichern unterdrücken.
Ich machte mich so steif ich konnte und hielt meinen Oberkörper soweit es die Gesetze der Schwerkraft zuließen von Nils weg. Wenn wir schon zusammen fotografiert werden sollten, so sollte es auf keinen Fall so aussehen, als würde mir das Ganze Spaß machen. Doch trotz dieser Distanz kam ich nicht umhin zu bemerken, dass Nils überraschend gut roch. Gar nicht nach abgestandenem Rauch. Eher nach Leder und einem herben After-Shave. Aber auch noch nach etwas anderem, was ich nicht recht identifizieren konnte.
Nach etwa fünf Minuten bemerkte ich, dass sich auf Nils’ Nacken ein paar kleine Schweißtropfen gebildet hatten.
„Ist es noch weit?“
„Nein. Vielleicht noch zwei Kurven!“ Nils konnte nur mühsam seinen schweren Atem unterdrücken.
„Wenn Sie wollen, können Sie mich herunterlassen. Ich werde Ihnen bestimmt langsam zu schwer.“
„Es sind wirklich nur noch ein paar Meter. Außerdem haben Sie es doch eilig, nach Verona zu kommen. Wollen Sie mir nicht langsam sagen, warum Sie nach Italien müssen?“
„Nein.“
„Sie sind unglaublich stur.“
„Sie auch.“
„Nein, denn sonst wäre ich nicht zurückgekommen, um Sie zu suchen. Schließlich haben Sie meine Zigaretten ins Wasser geworfen haben. Aber ich bin nicht nachtragend.“
„Das ist nett von Ihnen“, antwortete ich ironisch.
„Ich habe eingesehen, dass meine Reaktion vorhin ein wenig überzogen war. Wir hatten tatsächlich ein Abkommen.“
„Schön, dass Sie es so sehen.“
Nils schüttelte den Kopf. „Mein Gott! Sie sind so eine Nervensäge. Ich hätte Sie weiter im Wald herumhumpeln lassen sollen.“
Mittlerweile waren wir am Auto angekommen. Er setzte mich ab und drehte sich zu mir um.
Verlegen blickte ich ihn an. „Vielen Dank, dass Sie es nicht getan haben. Meine Reaktion war
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