Aussicht auf Sternschnuppen
mich zu verabschieden!
Ich sehnte mich danach, mit jemand über meine derzeitige Lage zu sprechen. Doch ich wusste beim besten Willen nicht, mit wem.
Die meisten Menschen wundern sich früher oder später darüber, dass ich niemals von irgendwelchen Freundinnen erzähle. Nun ja, das liegt wahrscheinlich daran, dass ich keine habe. Ich wüsste einfach nicht, in welcher Nische meines Lebens ich sie unterbringen sollte. Mir fehlt schlichtweg die Zeit dafür. Denn seitdem ich mit zwanzig von zu Hause ausgezogen war, hatte ich einen zeitraubenden Job, zeitraubende Beziehungen und drei Schwestern und eine Mutter, von denen im Gegensatz zu mir leider keine beruflich oder privat so stark eingespannt ist, dass sie mich nicht mindestens einmal am Tag anrufen oder schlimmer noch unangekündigt vor meiner Tür stehen konnte.
Fee hatte mich zum Flughafen gefahren und mir alles Gute gewünscht, mehr konnte ich von ihr nicht erwarten. Sie war viel zu sehr mit ihrem Jet-Set-Beruf, ihrem Freund Sam und der Instandhaltung ihrer Schönheit beschäftigt, um sich wirklich für die Belange ihrer Mitmenschen zu interessieren.
Mia konnte ich beruflich und privat im besten Falle als unstet bezeichnen. Derzeit wusste ich überhaupt nicht, wo und als was sie gerade arbeitete. Bei den meisten ihrer Partner hatte ich es nach der ersten Begegnung vermieden, sie mit den Worten „Auf Wiedersehen!“ zu verabschieden.
Und meine Mutter würde mir raten, Giuseppe zum Teufel zu jagen und mit dem Schauspieler durchzubrennen.
Blieb nur noch Lilly. Lilly hatte für alles Verständnis. Leider war sie gestern Abend mit ihrem Freund Torsten zu einem verlängerten Wochenende in den Bayerischen Wald aufgebrochen.
Als Nils, die blonde Valeria und ich gegen neunzehn Uhr am südlichen Rand von Verona angekommen waren, musste ich mir resigniert eingestehen, dass es niemand gab, dem ich meine derzeitige Situation anvertrauen konnte. Ich musste die ganze Angelegenheit selbst in die Hand nehmen.
„Wo möchten Sie aussteigen?“, fragte Nils.
„Könnten Sie noch einmal Ihr Handy für mich befragen? Ich brauche die Adresse eines Hotels. Wenn es weiter weg ist, nehme ich mir ein Taxi“, sagte ich. Mittlerweile hatte mir Giuseppe nämlich per SMS mitgeteilt, dass er in Verona angekommen und im Hotel Milano abgestiegen sei.
Nils hielt an und begann auf sein Handy einzutippen. Gleichzeitig ließ er einen italienischen Redestrom auf Valeria einprasseln, bei dem ich lediglich die Worte Café und mangare , essen, verstand. Aber egal, was er sagte, Valeria schien es zu mögen, denn das Lächeln auf ihrem Gesicht war, nachdem sie erfahren hatte, wer mit ihr zusammen im Auto saß, noch eine Spur breiter geworden und ihre Mundwinkel hatten sich seitdem selbst beim Reden keinen Millimeter von dieser Position wegbewegt.
Nils wandte sich an mich. „Das Hotel liegt im Innenstadtbereich, in der Nähe der Arena. Ich werde Sie hinbringen. Bevor ich weiterfahre, muss ich dringend noch etwas essen.“
„Ach!“, bemerkte ich zynisch.
„Ja, Valeria kennt ein nettes Café am Rand der Altstadt, das einer Freundin von ihr gehört.“
Er warf Valeria einen, wie ich fand, vielsagenden Blick zu.
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können!“, murmelte ich und verdrehte die Augen. Dieser Weiberheld hatte anscheinend genug von seinen blutjungen Modelgespielinnen und wollte mir durch die Blume mitteilen, dass er sich heute Abend noch mit unserer reifen Mitfahrerin vergnügen würde. Sollte er doch!
Dieser Mensch war, auch rein objektiv betrachtet, ein wandelndes Promi-Klischee. In dieser Hinsicht konnte man mir wirklich keine besonders vorurteilsbelastete Haltung vorwerfen. Er war unerträglich selbstverliebt, egoistisch, oberflächlich und vergnügungssüchtig. Er war ignorant, rauchte wie ein Schlot, ließ sich für Wohltätigkeiten bezahlen, hielt sich für unwiderstehlich und ...
Mir wären bestimmt noch 100 weitere Dinge eingefallen, die mir an Nils Schöneberger unglaublich auf den Keks gingen, hätte ich nicht auf einmal erkannt, welchen Vorteil sein erotisches Vorhaben mir bot: Wenn Giuseppe mir eine nur einigermaßen einleuchtende Erklärung für die SMS und seine Mitfahrerinnen bot, würde ich die Nacht mit ihm und hoffentlich auch in seinem Bett verbringen. Sollten sich aber meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen, dann wäre es nicht schlecht, Nils, sein Handy und den Smart in der Hinterhand zu haben, um mich wahlweise zu einem Bahnhof, zu einem Flughafen
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