Aussicht auf Sternschnuppen
blauen Augen bildeten sich viele winzige Fältchen. „You Verona?“
“Yes, we go to Verona. But, sorry, the car is too …”, setzte ich an, doch Nils unterbrach mich.
„Certo“, rief er charmant. „Per favore, salga in macchina!“
Die Italienerin lächelte, wenn das überhaupt möglich war, noch breiter. „Mille Grazie!“
Sie streifte sich den Rucksack von den Schultern.
Genervt wandte ich mich an Nils, der Anstalten machte, seinen Sicherheitsgurt zu lösen, um ihr zu helfen.
„Die Italienerin passt vielleicht noch rein. Aber ihr Rucksack? Der Kofferraum ist allein durch Ihre Reisetasche mehr als gefüllt.“
„Da Sie so freundlich waren, auf Gepäck zu verzichten, ist aber die komplette Rückbank noch frei. Wir beide werden einfach mit den Sitzen ein wenig nach vorne rutschen und schon haben wir genug Platz für uns alle und einen Rucksack“, entgegnete Nils geduldig.
Er stieg aus und ging um das Auto herum. Schwungvoll schob er den Fahrersitz nach vorne, damit unsere neue Mitfahrerin einsteigen konnte. Elegant schlängelte sie sich auf den Rücksitz und Nils hievte ihren Rucksack hinterher. Unfreundliche Bemerkungen vor mich hin grummelnd, schob ich meinen eigenen Sitz etwa zwei Zentimeter nach vorne.
Nils blickte mich streng an. Ich rang mich zu einem weiteren Zentimeter durch.
„Grazie, mille Grazie“, wiederholte die blonde Italienerin noch einmal. „Mi chiamo Valeria!“
Sie hielt erst Nils und dann mir eine schlanke Hand mit dunkelrot lackierten Nägeln hin. Nur widerwillig konnte ich mich zu einem kurzen Händedruck durchringen. Vielleicht hatte mich mein erster Eindruck getäuscht. Wenn ich wegen ihr nicht eingequetscht wie eine Presswurst sitzen müsste, hätte ich sie glatt sympathisch finden können.
„Mi chiamo Nils … e lei è Helga!“, stellte Nils uns beide vor, da ich keine Anstalten machte, Valeria meinen Namen zu verraten.
Wie so oft wünschte ich meine Eltern wegen ihres bodenlos schlechten Geschmacks auf den Mond. Hätten sie mir einen klangvolleren Namen als Helga gegeben, wären meine eigenen Nägel jetzt vielleicht auch farbig lackiert und nicht natur pur mit einer leicht ausgefransten Nagelhaut.
„Oh!“ Die Italienerin zeigte auf das Pflaster auf Nils’ Arm. „Lei vuole smettere di fumare?“ Was für eine blöde Frage! Warum sollte er wohl sonst mit einem riesigen Nikotinpflaster herumrennen.
Doch Nils nickte freundlich.
Dann blickte die Italienerin zu mir. „Fidanzata?“
Wollte sie wissen, ob ich Nils’ Freundin, Verlobte oder Ehefrau war? Anscheinend, denn Nils lachte laut auf, schüttelte den Kopf und sagte etwas, was ich nicht verstand. Wohl aber seine Geste! So ein Idiot! Er tat ja gerade so, als sei es das abwegigste Ding der Welt, mit mir zusammen zu sein.
Bis kurz nach unserer Vorstellungsrunde hatte ich der ganzen Konversation zumindest noch ansatzweise folgen können, doch da waren Nils und Valeria noch im Sparmodus gelaufen. Nachdem alle Anfangsfloskeln ausgetauscht waren, legten sie jedoch los, dass mir Hören und Sehen verging. Konnte ich zunächst noch einige Worte verstehen, ging das ganze Gespräch bald in einem rollenden Einheitsbrei unter, der durch allerlei Handbewegungen unterstrichen wurde. Und keiner der beiden machte Anstalten, mich in das Gespräch zu integrieren. Im Gegenteil – Valeria hatte so demonstrativ ihren linken Arm auf Nils’ Sitz abgestützt, dass er schon fast als optische Barriere zwischen mir und Nils gesehen werden konnte. Doofe Nuss! Mein anfänglicher Eindruck hatte mich doch nicht getäuscht. Selbst mit genügender Beinfreiheit hätte ich sie unsympathisch gefunden.
Als ich gerade dabei war, mich gedanklich zu verabschieden, rief die Italienerin auf einmal entzückt auf. „Nils Schöneberger. Nils Schöneberger. L’attore?“
Nils lächelte geschmeichelt und nickte.
„La ho visto in TV“, gurrte sie und schenkte ihm einen verführerischen Augenaufschlag.
Natürlich! Sie hatte ihn im Fernsehen gesehen!
Valeria begann in ihrem Rucksack zu kramen und holte Block und Stift hervor.
„Per favore, posso avere un autografo?“
Sie reichte Nils Block und Stift nach vorne. Der nickte glückselig, legte den Block auf seine Knie und krickelte während des Fahrens seinen Namen darauf. Valeria strich begeistert mit dem rechten Daumen über die Schriftzüge. „Grazie, …“ Den Rest konnte ich erneut nicht verstehen. Wahrscheinlich machte sie Nils gerade einen Heiratsantrag. Es war definitiv Zeit,
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