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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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und war einen Moment fast von meinem Kummer abgelenkt, denn irgendjemand hatte den eleganten Raum mit seinen hohen, in einem satten Cremeton gestrichenen Wänden und den luftig gerafften, etwas helleren Vorhängen in eine kitschige Glücksbärchi-Welt verwandelt.
    Auf den Tischen lagen feine Tischdecken mit einer breiten golddurchwirkten Spitze, an sich gar nicht so furchtbar, wären sie nicht über und über mit rosa Marzipanblümchen und weißen und rosafarbenen Bonbons bedeckt gewesen. In der Mitte jedes Tisches stand ein ebenfalls rosafarbenes Blumengesteck, das derart mit Tüll besteckt war, dass man von den drei mit Schleierkraut umrandeten Rosen kaum etwas sah. Rosafarbene Stoffserviettenschwäne auf jedem Gedeck rundeten die gewöhnungsbedürftige Dekoration ab.
    Die breiten gläsernen Türen des Raumes waren zur Terrasse hin vollständig geöffnet, so dass ich einen Blick in die weitläufige Gartenanlage mit den vielen Stehtischchen werfen konnte, wo sich die bestimmt 150 köpfige Hochzeitsgesellschaft mit Sektgläsern in der Hand vor einem Swimming-Pool versammelt hatte. Giuseppe konnte ich in der Menge sofort ausmachen, da er die meisten Gäste um fast einen Kopf überragte und ein stattliches Pflaster auf seiner Stirn klebte. Ein kleiner, dicker Mann mit Schnurrbart und eine Frau in einem eleganten roten Kostüm, Giuseppes Eltern, wie unschwer zu erkennen war, standen auf einer Art Tribüne und waren dabei, die Gäste zu begrüßen.
    Ich wollte schon umkehren, als die Empfangsdame mir einen sanften Schubs gab und ich auf die Terrasse stolperte. Ich prallte gegen einen der Stehtische und ein Glas fiel zu Boden. Sofort verstummte der Stimmenteppich vor mir und alle starrten mich an.
    Ich starrte zurück und wusste beim besten Willen nicht, was ich sagen sollte. Zum Glück fing sich Giuseppe recht schnell. Er kam auf mich zu und nahm meine Hand. Seine braunen Augen leuchteten und obwohl ich deutlich merkte, wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte, schien er sich über mein Erscheinen wirklich zu freuen. Fragend blickten unzählige Augenpaare zu uns herüber.
    „Mama, Papa, ich habe eine Überraschung für euch. Meine Freundin Helga ist extra von Deutschland hierher gereist, um euch zu eurer Goldenen Hochzeit zu gratulieren“, erklärte Giuseppe seinen Eltern auf Deutsch und sein Vater riss erstaunt die Augen auf. Dann erhellte sich sein Gesicht und er lächelte. Dabei entblößte er ein Gebiss, das mit einer auffällig großen Anzahl von Zähnen aufwarten konnte.
    „Una amica. Giuseppe ha portato sua amica a nostra festa.“
    Wie auf Kommando schwoll der Stimmenteppich erneut an und alle Gäste drängelten sich um uns herum. Wildfremde Menschen küssten und herzten mich und redeten auf mich ein, so dass mir schon bald der Kopf schwirrte. Mit Giuseppe dagegen hatte ich noch kein einziges Wort sprechen können.
    „An dieser Situation bist du selbst schuld“, flüsterte Giuseppe mir ins Ohr, als sich der Menschenstrom ein wenig zu verdünnen begann. „Warum hast du nicht angerufen? Dann hätte ich dich auf all das hier vorbereiten können.“
    Doch ich konnte ihm keine Antwort geben, denn eine vollschlanke Italienerin quetschte mich zwischen ihre Brüste und eine Wolke süßlichen Parfüms vernebelte mir einige Sekunden das Gehirn. So musste sich eine Fliege fühlen, die in einen Pudding gefallen war.
    „Come è carina. Che ragazza carina tu hai, Giuseppe. E come è snella“, rief sie und strahlte über das ganze Gesicht. Dabei tauchten ihre Rosinenaugen noch ein wenig tiefer in die umliegenden Speckringe ein. Als hübsch und schlank hatte sie mich bezeichnet! Ich fühlte mich geschmeichelt.
    „Meine Tante Francesca“, erklärte mir Giuseppe, als ich wieder aufgetaucht war. „Angelas Mutter.“
    Ich wollte gerade nachfragen, als unser Gespräch erneut unterbrochen wurde. Die nächste Tante hatte mich in ihren Fängen. Dieses Mal wurde ich in eine orangefarbene Bluse gedrückt.
    Endlich hatten sich Giuseppes Eltern zu uns durchgekämpft. Auch Giuseppes Mutter nahm mich unverzüglich in ihre Arme. So etwas wie einen neutralen Händedruck kannten italienische Frauen anscheinend nicht. Sie schwappte schier über vor Freude über meine Anwesenheit, denn sie hielt mich mehrere Male von sich weg und schaute mich an, bevor sie mich wieder an sich drückte und sich erneut ein italienischer Redeschwall über mich ergoss. Währenddessen hatte sich sein Vater neben Giuseppe gestellt und ihm auf die Schulter

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