Australien 01 - Wo der Wind singt
erinnerte sie sich auch wieder an den Anruf ihrer Tante Maureen. An deren strenge Stimme, die wie durch Watte in ihr vom Alkohol benebeltes Bewusstsein gedrungen war und die wissen wollte, wo zum Teufel sie die ganze Zeit gesteckt hätte? Und warum sie Nellie nicht abgeholt hätte? Dann erinnerte sich Kate daran, dass Maureen etwa eine Stunde nach ihrem Anruf bei ihr aufgetaucht war, wütend und mit zusammengepressten Lippen. Sie hatte eine zerzauste, verschlafene Nellie vor ihrer Tür abgesetzt, während Kate verzweifelt versucht hatte, nüchtern zu wirken und so zu tun, als läge da nicht gerade ein sturzbetrunkener Fremder in ihrem Bett.
Kate schlug die Bettdecke zurück und stöhnte leise, als sie ihren schmuddeligen Bademantel anzog. Sie fasste ihre Haare mit einem purpurfarbenen Haarband zusammen, das schon lange seine Elastizität verloren hatte. Dann warf sie dem dösenden Burschen seine Sachen auf den Bauch und legte ihm seinen Hut über das Gesicht.
»Sei so gut und verpiss dich jetzt, Tim McGraw«, sagte sie, bevor
sie auf die scharfkantige Schaftrophäe aus Plastik trat, die auf dem Boden lag.
»Autsch!«, sagte sie und hüpfte dann aus dem Zimmer.
Heißer Dampf stieg von Kates Kaffeetasse auf. Er drehte sich langsam in einem Sonnenstrahl. Kate lümmelte, den Kopf in beide Hände gestützt, am Tisch, während Nell neben ihr saß und mit den Beinen rhythmisch an ihren Stuhl schlug. Ihre Tochter hielt ihren mit Vegemite bestrichenen Toast in die Luft und brummte wie ein Flugzeug, bevor sie sich die klitschige Scheibe in den Mund stopfte.
»Mami krank! Mami krank. Bääääh«, sagte sie und streckte dabei ihre braun beschmierte Zunge heraus. Kate lächelte sie müde an.
»Iss du mal dein Frühstück, Nellie.«
Nellie grinste von einem Ohr zum anderen, so dass ihr kleine Toaststückchen aus dem Mund fielen und auf dem gefliesten Küchenboden landeten. Hinter der gläsernen Schiebetür starrte Sheila mit glasigem Blick die Krümel an. Sie sabberte. Kate seufzte. Sie hatte dem Hund letzten Abend nichts zu fressen gegeben, weil wieder einmal kein Hundefutter im Haus war. Tabby kam herein und nahm sich ihre Schüssel vom Regal.
»Soll ich heute Abend wieder kochen?«, fragte sie. »Ich habe vorher aber noch Basketballtraining. Wir können also nicht vor halb acht essen.«
»Sicher«, sagte Kate. Ihr war furchtbar schlecht.
Tabby warf einen Blick auf die Uhr, nahm ihre elegante schwarze Aktentasche und sah Kate mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Du kommst zu spät zur Arbeit«, stellte Tabby fest. Dann ging sie durch die Tür hinaus zu ihrem angenehm und frisch riechenden Banker-Auto. Kate stellte sich vor, wie sie ihren kleinen, knackigen Hintern auf das saubere Sitzpolster schob. Sie zuckte zusammen, als die Autotür zugeschlagen wurde. Das sagte alles. Sie unterdrückte krampfhaft eine weitere Welle der Übelkeit, während sie ihren Kaffee hinunterkippte.
»Ich will auch trinken, Mami! Trinken! Trinken!«, sagte Nell und streckte ihr ihre schmutzigen kleinen Hände entgegen.
»In Ordnung.« Kate seufzte und erhob sich mühsam vom Tisch. »Ein ›Bitte‹ wäre nett, weißt du.«
Sheila winselte hinter der Tür und kratzte zweimal kurz am Glas. Kate stieß ein resigniertes Seufzen aus und schob die Tür auf. Dann warf sie Sheila ein Stück kalten Toast mit zu Klümpchen erstarrter Margarine zu, das die Hündin schnappend wie ein Krokodil in der Luft auffing.
»Ich gehe heute Abend mit dir Gassi«, sagte sie und knallte die Tür dann wieder zu.
»Es ist sicher nicht einfach, einen Hütehund in der Stadt zu halten«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Kate drehte sich um und sah den Wäschespinnenmann in seinen Boxershorts in der Tür stehen. Sie rannte über die kühlen Steinfliesen auf ihn zu und schob ihn aus Nells Blickfeld.
»Die Dusche ist dahinten«, sagte sie und zeigte den Flur entlang. Hinter dem schmierigen Glas begann Sheila mit aufgestellten Nackenhaaren zu bellen.
»Sheila, sitz!«, brummte Kate.
»Wer ist das, Mami?«, fragte Nell. Als Kate versuchte, die Frage zu ignorieren, knallte Nell ihr Glas mit Saft auf den Tisch. Orangensaft spritzte über den Boden und an die Wand.
»Der Klempner, Nell«, sagte Kate. »Das ist nur der Klempner. Er repariert die Dusche.« Nell fuhr sich mit ihren kleinen Händen durch die Haare und runzelte die Stirn.
»Ich muss aufs Klo, Mami.«
»Aber der Klempner ist gerade im Bad.«
»Klo!« Kate sah, wie Nells Wangen langsam einen rosa
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