Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Acht Jahre lang hatte sie sich bemüht, es Bob nicht zu verübeln, dass er nach dem Tod ihrer Eltern das meiste und beste Land geerbt hatte. Er war der älteste Sohn, daher war das sein Anrecht, aber wenn Flo ihn so sah, mit dem Bierbauch unter dem blauen Trägerunterhemd und der himbeerroten Schnapsnase, fragte sie sich unwillkürlich, wie ihre Eltern einem Mann wie ihm den Großteil ihres Landes und Viehs hinterlassen konnten. Tradition, schnaubte sie abfällig. Dämliche, blinde Tradition, derzufolge die Farm automatisch dem ältesten Sohn zufiel.
Wenigstens waren sie so vernünftig gewesen, ihr und Rod ein Drittel des Landes zu überschreiben, damit sie sich ihr Überleben sichern konnten, außerdem lief die Genehmigung für die Nutzung der Weideflächen auf dem Hochland auch auf ihren Namen. Solange Flo genug Geld hatte, um die Rechnungen zu bezahlen, solange sie sich ab und zu ein Essen im Pub gönnen und sich alle zehn Jahre einen neuen Pick-up kaufen konnte, war sie glücklich. Die Flanaghans hatten sich nie wie Landadelige aufgeführt. Sie waren Arbeiter, die sich über mehrere Generationen hinweg hochgearbeitet hatten, bis sie die größten Rinderzüchter in den Bergen geworden waren.
Jede Generation hatte den Lebensstandard Stufe um Stufe erhöht, waren im Laufe der Generationen von einer Hütte in ein richtiges Heim gezogen, trotzdem hätte kein Flanaghan sein Geld für schicke Möbel oder Autos ausgegeben. Sie legten es lieber in Zuchtbullen und Arbeitspferden an. Ihr Stammsitz »Tranquility« bei Dargo war von unvergleichlicher Schönheit; 2500 Hektar an grasbewachsenen Hügeln und buschbedeckten Weiden entlang der üppigen Flussebene, die sich beiderseits des Dargo River erstreckte. Bäche hatten sich durch Granitklippen geschnitten, die die Abend- und Morgensonne einfingen wie ein klassisches Meisterwerk. In den Gewässern wimmelte es von Forellen und winzigen einheimischen Wassertieren. Der Fluss verlieh allem Herz und Seele.
Weil Rod als Einziger von den Geschwistern Kinder bekommen hatte, hatten die Eltern ihm das weitläufige, weiß vertäfelte Bauernhaus hinterlassen, das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut worden war. Es stand über einer Flusswiese, wurde von den leichten Winden gekühlt, die über den großen, mit Schmelzwasser gefüllten Stausee wehten, und von einer tiefen, vorn herabgezogenen Veranda vor der glühenden Sonne und den eisigen Winterwinden geschützt. Es war ein bezauberndes altmodisches Heim, hatte aber inzwischen eine gewisse Patina angesetzt und erinnerte an eine gealterte Schönheit. Rod versprach jedes Jahr wieder, dass er es endlich streichen würde, und jedes Jahr wurden die Arbeiten verschoben, weil kein Geld da war.
Das Gleiche ließ sich über Flos Haus sagen. Sie lebte ein Stück entfernt an derselben Straße, nahe den Viehpferchen in einer ehemaligen Arbeiterhütte, die sie mit den geliebten alten Möbeln ihrer Eltern wohnlich gemacht hatte. Sie lebte dort zufrieden und glücklich mit ihren Arbeitshunden und ihrem dicken Kater Muscles. Die Tiere hatten die Stelle der Kinder eingenommen, die sie nie bekommen hatte.
Hinter dem Haus erhob sich das spektakuläre Panorama der Berge, die den anderen Teil der Flanaghan’schen Ländereien bildeten. Achtzig Kilometer entfernt an einer manchmal staubigen und immer von Schlaglöchern übersäten Bergstraße besaß Bob jetzt weitere 400 Hektar der besten Bergweiden, die man sich nur vorstellen konnte. Gemeinsam gehörte ihnen das handgezimmerte Bergbauernhaus, das inzwischen hundert verschneite Winter überstanden hatte, aber dass Bob das Land in den Bergen geerbt hatte, war immer noch ein wunder Punkt. Umgeben war das Land der Flanaghans von den atemberaubenden Dargo High Plains. Wenigstens teilten sich Rod und Flo die Genehmigung, ihre Rinder dort auf 40 000 Hektar weiden lassen zu dürfen. Dieses Recht war Flos Urgroßmutter Emily vor hundertfünfzig Jahren von der Regierung zugesichert worden, seither trieb die Familie jedes Jahr, sobald es wärmer wurde, das Vieh vom Tiefland auf die Hochebene. Natürlich eigneten sich nicht alle Gebiete in den Bergen für die Beweidung durch Rinderherden, aber immerhin konnte die Familie ihr Vieh auf die Sommerweiden treiben, sobald der Schnee geschmolzen war und die einheimischen Gräser erholt und neu belebt aus dem fruchtbaren Boden sprossen.
Flo und Rod liebten dieses Land, die Uferflächen im Tiefland genauso wie die Weidegebiete auf den High Plains, während sich Bob
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