Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Mädchen glücklich ihr Milo tranken, besah sich Emily den Schaden, den der umgestürzte Baum angerichtet hatte. Bald durchschnitt das Knattern ihrer Kettensäge die Luft und die Stille der Berge, und wenig später hatte sie den knorrigen alten Eukalyptusbaum vom Zaun losgeschnitten. Als er krachend zersplitterte und sie die Reste mit dem Stiefel beiseiteschob, erkannte sie, dass der uralte Pfahl, den ihr Großvater in den Boden getrieben hatte, ebenfalls zersplittert war.
»So ein Mist«, sagte sie. Sie brauchte einen neuen Pfahl. Die Sache würde sich länger hinziehen. Andererseits saßen Tilly und Meg noch zufrieden am Feuer, und bis zum Einbruch der Dunkelheit war noch Zeit. Für den Rückweg zum Haus brauchten sie gute zwei Stunden, aber inzwischen waren die Pferde fit und an die Kälte gewöhnt, genau wie die beiden Mädchen. Außerdem stand nur eine halbe Stunde bergab eine kleine Hütte, falls sie tatsächlich stecken bleiben sollten.
Emily sah sich um. Im ehemaligen Cattleman-Schutzgebiet entdeckte sie keinen geeigneten Baum. Der eine war zu knorrig, der nächste hatte einen Astknoten und würde splittern. Alle anderen waren zu groß oder zu klein. Sie nahm eine Axt und ihre Kettensäge mit und hatte bald den richtigen Baum gefunden. Er stand nahe genug und hatte den perfekten Durchmesser. Sie machte sich daran, ihn zu fällen.
Als Luke Bradshaw und Giles Grimsley sich langsam über Lanky’s Plain vorarbeiteten, musste sich Luke alle Mühe geben, nicht jedes Mal »Wichser« zu denken, sobald sein Boss den Mund aufmachte. Andererseits musste er zugeben, dass einige der Geschichten, die ihm Giles über die Eskapaden der Cattlemen erzählt hatte, in Verbindung mit den wissenschaftlichen Daten über das Beweiden, mit denen Giles ihn ebenfalls versorgt hatte, ihn beinahe von der Notwendigkeit des Weideverbotes überzeugt hatten.
Luke und Giles hatten den Tag zusammen bei einer VPP -Konferenz im Skigebiet am Mount Hotham verbracht, und dabei hatte Luke ein paar sehr interessante Kollegen kennengelernt, was ihn darin bestätigt hatte, dass ein paar ausgesprochen kluge Köpfe für ihre Organisation arbeiteten. Es waren Leute seines Alters, die ihre Arbeit mit Spaß und Begeisterung betrieben. Alle hatten sich die Bäuche vollgeschlagen und sich dann noch ein paar Gläser Wein oder Bier gegönnt, bevor Giles verkündet hatte, dass es Zeit zum Aufbruch sei.
Obwohl wegen des starken Schneefalls die High Plains Road nach Dargo geschlossen war, hatte Giles darauf bestanden, dass Luke sie nahm, weil das zu seinem Allrad-Fahrtraining für den Job gehöre. Voller Stolz hatte er verkündet, dass es ihnen als registrierten VPP -Mitarbeitern gestattet sei, auch während der Park-Schließungszeiten die Dargo High Plains zu betreten. Luke wusste, dass Giles sein Amt als kommissarischer Regionsmanager bald wieder abgeben musste und seine Privilegien bis dahin nach Kräften auskostete. Mehrmals hatte er davon gefaselt, wie angenehm es doch sei, einen Dienstwagen zu haben und nicht immer an seinem Schreibtisch in Melbourne sitzen zu müssen. Außerdem hatte er sich immer wieder über ihre Fahrt ins Wonnangatta ausgelassen. Er hatte Luke erklärt, dass die Bußgeldbescheide bestimmt bald verschickt würden, und ihm dann die neue Gesetzeslage und die Pläne für den Park erläutert.
»Es war mir ein Vergnügen, dich unter meinen Fittichen zu haben.« Seine Nase war nach dem Wein zum Mittagessen immer noch gerötet. Luke ertrug die herablassenden Belehrungen geduldig, so wie er früher auch Cassys Befehlston ertragen hatte. Er tröstete sich damit, dass er in ein paar Tagen erlöst wäre. Giles würde schon bald nach Melbourne zurückkehren und dort die Karriereleiter wieder hinunterpurzeln. Dann könnte Luke in Frieden seinen Job erledigen, was er in Zukunft hauptsächlich von der Niederlassung in Heyfield aus erledigen könnte, während er deutlich seltener draußen im Busch arbeiten würde.
Die Straße nach Dargo zurück war halbwegs befahrbar gewesen, bis sie zum Mount Freezeout gekommen waren, wo der Schnee tiefer lag und die Reifen trotz des Allradantriebs durchzudrehen begannen. Giles freute sich wie ein Schneekönig, dass er endlich die neuen Schneeketten aus seinem Offroad-Kit holen konnte.
»Wir werden wahrscheinlich erst spätnachts heimkommen«, meinte er zu Luke. »Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Die Überstunden werden bezahlt.«
Luke warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Er war noch gar nicht auf den
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