Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Abwasser den Berg hinuntergeleitet wurde, erschien ihr der Beschluss der Regierung, die Cattlemen aus den Bergen zu vertreiben, während gleichzeitig die Erschließung der Region vorangetrieben wurde, noch absurder.
Die Skifahrer bekamen niemals zu sehen, welch tiefe Narben ihr Wintersport hinterließ. Sie kamen nie im Sommer und wussten daher nicht, wie der Boden zusammengepresst wurde, sodass die Pflanzen nur noch mit Mühe wachsen konnten. Selbst wenn der Schnee geschmolzen war und der Boden vom Schmelzwasser zu neuem Leben erweckt und von der Sonne erwärmt wurde, blieben die Hänge, die eigentlich grün leuchten sollten, braun und spärlich bewachsen.
Sie sah die Narben, die die Straßen und die Rollbahnen eines Flugfeldes hinterlassen hatten. Schon bald würde die Landschaft zusätzlich von weiteren Rohrleitungen zu einer Kläranlage und von noch mehr Dämmen für den erhöhten Wasserbedarf verschandelt. Sie sah die steilen Dächer der dicht gedrängt stehenden Wochenendhäuser rings um die kleinen Privatstraßen, die aussahen, als hätte man sie aus der Vorstadt in die Wildnis verpflanzt. Abrupt lenkte sie ihr Pferd weg.
»Kommt, Mädchen. Wir machen ein Feuer und trinken etwas Warmes. Wir haben es gleich geschafft.«
Obwohl ein frisch aufgestelltes Schild verkündete, was in diesem Gebiet inzwischen alles verboten war – darunter auch Haustiere, Feuerwaffen und Lagerfeuer –, ritten sie weiter auf eine funkelnagelneue knallgelbe Schranke zu. Der Anblick schmerzte Emily. Sie trieb Snowgum in einen lockeren Galopp und sprang, dicht gefolgt von Bonus, über den niedrigen Schrankenbaum. Die Ponys der Mädchen waren klein genug, um sich zwischen dem Schrankenpfosten und einem Fels durchzuquetschen, und folgten ihr, wobei Meg ihr Knie an dem Pfosten aufschrammte.
»Warum haben sie das hier aufgestellt?«, fragte sie ärgerlich.
»Weil jemand in Melbourne gesagt hat, dass das so sein muss«, antwortete Emily.
Sie ritten am Ostkamm abwärts, bis der Schnee so tief wurde, dass sie den Entschluss fällten, umzukehren und zu einem Schutzgebiet zu reiten, das ihre Großeltern angelegt hatten. Emily wäre gern auf die Lichtung geritten, auf der sie und Sam das letzte Mal den Rindern Salz gegeben hatten, beschloss aber, dass sie lieber in der Nähe des Bergkammes bleiben sollten. Das Wetter konnte jeden Moment umschlagen.
Auf dem Rückweg zur Schranke bog sie kurz vom Weg ab. Dann deutete sie auf das Schild, das ihr Dad angefertigt hatte.
»Darauf steht Flanaghan Reserve Nummer Fünf«, erklärte sie.
»Was ist eine Reverse?«, fragte Tilly.
»Eine Reserve« , korrigierte Emily. »Das ist ein Stück Land, das vor den Menschen und manchen Tieren geschützt wird, damit es gesund bleibt. In dem Gebiet hier liegt eine empfindliche Quelle, deshalb sollen hier keine Allradwagen, Rinder oder Menschen hinein.«
»Warum ist es die Fünf?«, fragte Meg.
»Weil es das fünfte Schutzgebiet ist, das eure Urgroßeltern angelegt haben. Insgesamt haben sie zehn Schutzgebiete auf diesem Berg ausgewiesen.«
Vor fast sechzig Jahren und damit Jahrzehnte, bevor irgendjemand in der Regierung etwas mit dem Begriff »Naturschutzgebiet« anfangen konnte, hatten Emilys Großeltern beschlossen, bestimmte Bereiche des Berges einzuzäunen. An manchen Stellen hatten die Zäune sogar die Allradenthusiasten abgehalten, die mit ihren Fahrzeugen anscheinend am liebsten durch Sumpflöcher, über steile, erosionsgefährdete Hänge und durch Flussfurten bretterten. Während die Rinder vielleicht nie wieder hier oben grasen durften, durften die Geländewagen, die zu Hunderten aus der Stadt und den umliegenden Regionen in die Berge einfielen, immer noch jeden Sommer durch den Park pflügen. Schutz der Wirtschaft um jeden Preis, dachte Emily sarkastisch.
Als sie auf das Schutzgebiet zuritten, sah sie zu ihrem Bedauern, dass ein Baum umgestürzt war und dabei einen Zaunpfahl mitgerissen hatte. Der Zaun lag schlaff auf dem Boden. Emily hielt die Pferde an.
»Sollen wir das für eure Urgroßeltern reparieren?«
Tilly und Meg nickten.
»Das dauert bestimmt nicht lang.« Sie sah zum Himmel auf, denn sie wusste, dass das Wetter bald schlechter würde.
Die Mädchen stiegen ab und banden ihre Ponys an, während Emily ein kleines Feuer machte und den Wasserkessel aufsetzte, frischen Schnee sammelte und ihn in den Kessel warf. Anschließend stellte sie die Tassen bereit, gab in jede einen Löffel Malzpulver und eine Prise Zucker.
Während die
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