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Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Titel: Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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auf ihren Rippen, dicht unterhalb des Herzens. Sie hatte das Gefühl, überhaupt nicht zu atmen. Sie versuchte Luft in den Mund zu saugen, doch das ging nicht. Das machte ihr Todesangst. Sie versuchte zu schreien, aber nur ein befremdliches »Elefantenmenschen«-Quäken kam aus ihrer Brust. Sie fragte sich, ob sie gestorben war.
    Aus weiter Ferne hörte sie eine Stimme.
    »Emily?« War das wieder ihre Ururgroßmutter? »Emily.« Eine kühle Hand auf ihrem Arm und ein grelles Licht in ihren Augen. »Sie sind im Krankenhaus. Sie sind vom Pferd gestürzt. Emily?«
    Pferd? Snowgum, durchfuhr es Emily mit einem Ruck. Dann erinnerte sie sich verschwommen, dass sie ihre Mädchen irgendwo gelassen hatte. Aber ihr wollte trotz aller Anstrengung nicht einfallen, wo das gewesen war.
    »Meg … Tilly?«, murmelte sie aufgeregt, aber die Worte blieben in der Maske hängen, die über ihrer Nase und ihrem Mund saß. Wieder beschwichtigte eine Frauenstimme sie.
    »Ihre Mädchen? Ja, die waren hier und haben Sie besucht. Schauen Sie.« Sie hielt zwei bunte Bilder hoch. Emilys Blick war noch getrübt, aber schließlich konnte sie Megs vertraute wilde, knallbunte Pinselstriche und daneben Tillys korrekte Bleistiftlinien unter den Pastelltönen erkennen. Erleichterung überflutete sie. Dann hielt die Krankenschwester einen wilden Strauß von Margeriten und Straßenrandblumen in ihr Blickfeld.
    »Sie haben Ihnen auch Blumen aus den Bergen mitgebracht.«
    Emily beobachtete, wie die Krankenschwester ans Fußende des Bettes trat, und sofort begann sich der Raum um sie zu drehen. Das machte Emily wieder Angst. Sie zog die Stirn in Falten, murmelte leise vor sich hin. Mit dem Klemmbrett in der Hand kehrte die Schwester an ihre Bettseite zurück. Wieder legte sie eine kühle, tröstende Hand auf ihren Arm.
    »Sie erholen sich schon wieder, Herzchen, Sie liegen bereits eine ganze Weile hier und sind daher wund und benommen. Wir haben Sie an ein Beatmungsgerät gehängt, weil Sie sich ein paar Rippen gebrochen haben. Soll ich Ihnen erzählen, was Sie sich sonst noch angetan haben?«
    Emily blinzelte. Sie versuchte zu nicken. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre alles, ihre Haut, jedes Organ und jeder einzelne Knochen zerschmettert.
    »Sie haben sich das Schlüsselbein und einen Arm gebrochen, außerdem hatten Sie innere Blutungen. Die Ärzte haben Sie sediert, um sicherzustellen, dass Ihr Herz wieder in Takt kommt, und um festzustellen, ob Sie sich Kopfverletzungen zugezogen haben. Sie glauben gar nicht, wie viel Glück Sie gehabt haben! Ihr Herz muss ziemlich schlau und kräftig sein – es hat das Schlagen wieder selbst übernommen. Sie haben eine zweite Chance bekommen, Schätzchen.«
    Eine zweite Chance? Emily versuchte sich zusammenzureimen, wie sie hier gelandet war. Sie dachte an Clancy und spürte einen tieftraurigen Stich – ihre letzte Erinnerung an ihn war ausgesprochen schmerzhaft.
    »Ich gehe den Arzt holen und sage ihm, dass Sie wieder bei uns sind. Bin gleich zurück.« Damit war die Krankenschwester verschwunden.
    Als Emily den Arm zu heben versuchte, bemerkte sie die Nadel, die an ihrem Handrücken fixiert war und durch die eine klare Flüssigkeit lief. Schmerzen durchschossen sie. Sie hob den anderen Arm – er steckte in einem Gips, den Meg und Tilly in knallbunten Filzstiftfarben mit kleinen Gesichtern und Blumen verziert hatten. Wann hatten sie das gemacht? Wo waren sie jetzt? Wie lange lag sie schon hier? Emily kniff die Augen zusammen, und eine Träne rann über ihre Wange. Sie wollte ihren Dad und ihre Mädchen sehen. Sie wollte nach Hause. Aber wo war ihr Zuhause inzwischen? Auf gar keinen Fall würde sie in diese beklemmende Backsteinbude in Brigalow zurückkehren, die sie mit Clancy bewohnt hatte. Nein, dachte sie, ihr Zuhause lag hundertfünfzig Kilometer entfernt. Ihr Zuhause war in Dargo. Nicht einfach in Dargo. Sondern auf den Dargo High Plains.
    Emily starrte auf ihren Handrücken und musste an die Berge denken, die sie in dieser merkwürdigen Vision zu sehen bekommen hatte. Ihr kleiner Finger verwandelte sich in den Long Spur, der Ringfinger mit dem schlichten goldenen Ehering in den Dargo Spur. Ihr Mittelfinger, den sie so oft Clancys Rücken entgegengestreckt hatte, war der White Timber Spur. Der Zeigefinger, mit dem sie so oft anklagend auf ihn gezielt hatte, war der Table Spur, ihr Daumen die Blue Rag Range. Ihr Handrücken waren die Dargo High Plains, wo inmitten von Gebirgsweiden und umgeben von einem

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