Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
gewischt.
»Was wohl Karla dazu sagt, wenn sie von ihrer Buschwanderung zurückkommt? Die wird durchdrehen.«
Luke hatte mit den Achseln gezuckt. Eigentlich war es ihm völlig egal, was Karla dachte. In diesem Moment hatte er nur Augen für Cassy, deren kleine, spitze Brüste vor und zurück schwangen wie bei einer säugenden Hündin und deren winziger weißer Hintern so anregend hin und her wackelte. Sie kannte überhaupt keine Scham. Luke hatte in den vergangenen zwei Jahren den weiblichen Körper intensiver kennengelernt, als er je erwartet hätte. Trotzdem stießen ihn Cassys Aggressivität und ihre Selbstsucht immer wieder ab, manchmal fragte er sich, ob sie wirklich mutig und intelligent war – oder schlicht und einfach durchgeknallt. Trotzdem machte sie das Leben spannend und hatte ihn, den unschuldigen Farmerjungen, völlig umgekrempelt, seit er sie vor zwei Jahren getroffen hatte.
Als Luke das erste Mal in Cassys Haus gewesen war, nachdem sie gemeinsam ein Seminar geschwänzt hatten, hatte er staunend vor einem Bücherregal voller Werke über feministische Theorie gestanden. Während sie ihm, dem Jungen von der Farm im Westen, der mit Lammfleisch und Mischgemüse groß geworden war, ein vegetarisches Risotto zusammengerührt hatte, waren seine Finger über die Buchrücken gewandert: Träume in den erwachenden Morgen, Mösenpolitik, Lesbische Ethik und Angst vorm Fliegen waren nur einige Titel.
»Ganz ruhig«, hatte er sich zugeflüstert, als wollte er ein noch nicht eingerittenes Pferd beschwichtigen.
Nach ihrem First-Date-Risotto, das sie mit Billigwein hinuntergespült hatten, hatte sich Cassy in eine Löwin verwandelt. Den Blick fest auf Luke gerichtet, hatte sie zum Sprung angesetzt. Gierig hatte sie die Nägel in seine Haut geschlagen. Gleich beim ersten Mal ließ sie sich von ihm lecken. Sie wirkte wie eine Exotin auf ihn. Ihr wuchsen dichte Büschel, wo die meisten Australierinnen jedes Härchen wegwachsten, abrasierten oder wenigstens versteckten. Keines der Mädchen aus Lukes Heimat im Weizengürtel hatte sich so wenig um die Meinung ihrer Mitmenschen geschert. Alle hatten lange Haare und rasierte Beine gehabt und Sex nach Vorschrift gemacht. Auch wenn man mit Landmädchen jede Menge Spaß haben konnte, wollten sie es gern romantisch.
Ganz anders als Cassy, die fünf Minuten nach ihrem ersten Wortwechsel in der Unibibliothek erklärt hatte: »Wie sieht’s aus? Ziehst du bei mir ein, und wir werden Fickfreunde? Wir könnten uns eine Miete sparen.« Der Vorschlag machte ihn an und stieß ihn ab, er provozierte und erregte ihn. Kurz gesagt, die zwei Jahre an der Uni waren dank Cassandra extrem interessant gewesen. Sie war die Antithese zu all den Mädchen, die sich seine Mutter für ihn gewünscht hätte. Genau das hatte Cassandra damals so attraktiv gemacht.
Er musste daran denken, wie er Cassy zum ersten Mal in die Familienküche der Bradshaws geführt hatte – genauso gut hätte er ein Schaf mit Moderhinke ins Haus bringen können. Luke hatte sich diebisch über die Reaktion seines alten Herrn gefreut. Sein Vater war dabei, ihre Farm Stück für Stück an eine Firma zu verkaufen, die das Land aufforsten wollte, und Luke hatte das Gefühl, dass er ihm damit im wahrsten Sinn des Wortes den Boden unter den Füßen wegzog. Bei jedem einzelnen Verkauf fühlte er sich um sein Erbe betrogen, jedes Mal hilfloser und heimatloser. So wie er es sah, hatten seine Eltern eine satte Dosis Cassandra verdient.
Es war urkomisch gewesen, wie Cassy neben seiner Mutter das Geschirr abgetrocknet und ihr dabei Vorträge über feministische Theorien gehalten hatte, um ihr schließlich zu erklären, dass die meisten Männer »fürchteten, von der Vagina verschlungen zu werden«. Seine Mutter hätte um ein Haar ihre geliebte Teekanne fallen gelassen! Cassys Weigerung, ihre Schreie beim Sex zu unterdrücken, weil sie schließlich, und zwar jederzeit und überall, ein Recht auf »persönliche Entfaltung« hatte, hatte seiner Mum und seinem Dad den Rest gegeben. Seine Eltern hatten durchblicken lassen, dass es wohl besser wäre, wenn sie gleich nach Melbourne zurückfuhren und keine zweite Nacht blieben. Seine Mutter hatte noch hinzugefügt, dass auch ein Besuch beim Friseur nicht schaden könnte. Womit sie Luke gemeint hatte, nicht Cassy.
Jetzt löste sich Cassy von ihm und warf einen Blick auf die Küchenuhr.
»Scheiße!«, sagte sie plötzlich. »Mein Batikkurs. Der fängt in einer Viertelstunde an. Kann ich
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