Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
die Schmerzen drückten, die immer noch in ihren Schultern und ihrem Nacken lauerten.
Ein paar Tage in Folge, ohne dass ihre Töchter die Sonne in ihrem Krankenzimmer aufgehen ließen, dazu eine mürrische, unfreundliche Krankenschwester, die lustlos an ihren Laken herumzerrte, und schon erlosch in Emily jeder Lebensmut, so als könnte sie nie wieder ein normales Leben führen. Was war überhaupt noch normal? Nachdem Clancy aus dem Krankenhaus verschwunden war, hatte er eine Woche lang täglich angerufen und mit ihr sprechen wollen. Emily hatte die Schwestern dezent dazu angehalten, ihn mit einer Reihe von Ausreden abzuwimmeln. Sie wurde gerade gebadet … sie schlief … der Arzt war bei ihr. Als sie schließlich doch mit ihm sprach, wusste er nicht, was er ihr sagen sollte, sodass sie am anderen Ende nur seinen schweren Atem hörte, der klang wie der eines störrischen Stieres.
Einmal hatte er unangemeldet in ihrem Zimmer gestanden und sie belämmert hinter einem riesigen Strauß Nelken hervor angeglotzt. Emily hasste Nelken. Fast so sehr wie Clancys Unaufrichtigkeit. Sie sah ihm an, dass er den Entschluss, sie zurückzuerobern, höchstens halbherzig gefasst hatte. Ein einziger ruppiger Kommentar ihrerseits genügte, um seinen Zorn und seinen Groll wieder aufkochen zu lassen, was ihr nur zu deutlich zeigte, dass ihre Ehe endgültig zerbrochen war.
Statt zu reden und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, sahen sie tatenlos zu, wie sich zwischen ihnen eine Kluft des Schweigens auftat, die schließlich lauter als alle Worte herausschrie, dass es unwiderruflich zu Ende war. Emily saß still weinend in ihrem Bett, in ein grässliches Blumennachthemd gehüllt, das Flo ihr im Supermarkt besorgt hatte, während er auf einem lächerlich niedrigen Stuhl hockte, sodass seine Knie auf einer Höhe mit seinen Ohren waren, und störrisch gegen die Wand starrte.
»Das war’s dann also?«, meinte er schließlich und hievte sich aus dem Sitz.
»Ja, anscheinend war’s das«, antwortete Emily. Dann war er weg.
Aber seit diesem Tag hatte sie sich geschworen, dass sie und die Mädchen diesen Neuanfang nutzen würden. Sie würde so schnell wie möglich gesund werden, damit sie wieder mit ihnen zusammen sein konnte.
Sie zwang sich, vor dem Krankenhaus spazieren zu gehen, auch wenn ihr geschundener Körper wütend dagegen protestierte. Sie bekam kaum Luft, ihr Schlüsselbein pochte, und der gebrochene Arm in der Schlinge zog sie nach unten, als wäre sie eine vom Alter gebeugte Greisin.
Tag für Tag brachte sie zahllose Minuten damit zu, sich mit einer neuen Version ihrer selbst anzufreunden. Alleinerziehende Mutter. Getrennt lebend. In Scheidung. All diese Begriffe gaben nicht annähernd wieder, wie sehr sie sich vor der Zukunft fürchtete und wie viel sie verloren hatte; genauso wenig erfassten sie die flüchtigen Momente der Vorfreude, die sie trotz alledem empfand.
Emily sehnte sich nach frischer Luft und Sonnenschein, allerdings war es zweifelhaft, dass die Luft in dieser Großstadt überhaupt je wirklich frisch werden konnte, und manchmal kehrte sie nach dem Spaziergang noch deprimierter in ihr Zimmer zurück. Jedes Mal, wenn sie an der Rauchergruppe vor dem Eingang vorbeikam, musste sie den Atem anhalten. Patienten in Pyjamas sogen wie Staubsauger an ihren Stummeln, während die Infusionsflaschen am Ständer hinter ihnen hingen. Selbst Pfleger und andere Krankenhausangestellte scharten sich um die Aschenbecher und zogen an glimmenden Zigaretten.
Heute war sie am Raucherbereich vorbeigegangen und bis zur Notaufnahme weiterspaziert. Ihre Knochen schmerzten, ihre Muskeln brannten, und an ihrem ganzen Körper blühten die Blutergüsse in einer sich ständig wandelnden Farbpalette von Schwarz über Lila und Braun bis zu einem tiefen Gelb, das langsam verblasste. Unendlich langsam. Jedes Mal, wenn sie außer Atem kam, begann die Erde unter ihren Füßen zu schwanken, und winzige grelle Blitze zuckten durch ihr Blickfeld.
Heute kämpfte sich die Sonne beinahe romantisch durch den Smog, darum wollte sie nicht so schnell in ihr Zimmer zurück. Emily lehnte sich neben dem Krankenwagen an eine Wand und sah zu, wie der Sanitäter sich abmühte, das kostümierte Mädchen zu besänftigen, das entweder auf Drogen oder komplett verrückt war.
»Nein, Sie bleiben auf dem Ding sitzen, meine Süße«, sagte der Sanitäter, »bis wir Sie bequem und gemütlich ins Krankenhaus geschafft haben. Die müssen Sie erst röntgen.«
Durch
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