Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
dass Emily ihn beobachtete, und lächelte ihr kurz zu. Es war kein eitles oder flirtendes Lächeln. Sondern aufrichtig freundlich. Sie sah verlegen weg, aber er kam weiter auf sie zugerannt.
»Verzeihung«, fragte er, »wo geht’s hier zur Notaufnahme?« Emily deutete in die Richtung. »Danke«, sagte er, dann sah sie seine breiten Schultern und die schmale Taille wegjoggen.
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah wieder in das Blätterdach auf. Sie konnte kaum glauben, dass dieser riesige Eukalyptus zwischen all dem Beton überlebt hatte. Unter der Asphaltkruste musste der Baum fetten Boden gefunden haben, der ihn ernährte.
Emily müsste genauso stark sein wie dieser Baum, obwohl sie zurzeit an einem Ort leben musste, dem all das fehlte, was das Buschland ihrer Seele geben konnte. Sie schloss die Augen und fragte sich, was eigentlich in ihrem Kopf vor sich ging. Normalerweise war es nicht ihre Art, herumzuhocken und Gedanken zu spinnen. Der Unfall hatte sie irgendwie verändert: Sie wusste nicht recht, ob sie noch in ihre alte Haut passte. Mit geschlossenen Augen fasste sie in die Tasche ihres Morgenmantels und zog Megs Zeichnung von der Frau vor der Hütte heraus.
»Entschuldigung.« Die Stimme war sanft, um sie nicht zu erschrecken.
Sie drehte sich um und entdeckte, dass der gut aussehende Mann zurückgekommen war.
»Dürfte ich mich kurz zu Ihnen setzen? Ich hasse Krankenhäuser.« Er schauderte.
»Natürlich.« Emily lächelte unsicher und zog mit dem gesunden Arm ihren Morgenmantel über die Schlafanzugshorts mit dem Kuhdruckmuster. Sie versteckte die Füße unter der Bank, weil ihr plötzlich peinlich bewusst wurde, dass sie Lederstiefel ohne Socken trug, das einzige Paar Schuhe, das ihre Familie ihr eingepackt hatte – zusammen mit den schlimmsten Exemplaren aus ihrer Kollektion alberner Unterhosen. Um ihn nicht ansehen zu müssen, sah sie nach oben in den blauen Himmel über dem Baum und bemerkte eine weiße, wie ein Pferd aussehende Schönwetterwolke. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Der Mann nickte zur Notaufnahme hin. »Meine Freundin …«, setzte er an. Puh, dachte Emily. Das linderte die Anspannung. Wenigstens war er nicht irgendein Perverser. »… wurde auf dem Fahrrad von einem Bus angefahren.«
»Ach, wie furchtbar. Das tut mir leid.«
Er schüttelte den Kopf. »Zum Glück ist es nichts Ernstes. Es hätte sie viel schlimmer erwischt, wenn sie nicht so gut gepolstert gewesen wäre. Sie ist schon geröntgt worden. Nur ein gebrochener Fuß. Sie wird gerade eingegipst. Bald müsste sie entlassen werden. Sie hat gesagt, ich soll hier draußen auf sie warten.«
Emily quittierte seinen Kommentar mit einem Stirnrunzeln. Was für ein Arschloch, dachte sie. Wie konnte er nur so gemein über seine Freundin reden – gut gepolstert! »Was ist mit Ihnen? Sieht so aus, als hätte es Sie ganz schön erwischt.« Er deutete auf den Arm, der vor ihrer Brust in einer Schlinge hing.
»Mich? Allerdings. Ein Reitunfall.«
»Autsch.«
Emily nickte und ergänzte hörbar sarkastisch: »Zum Glück bin ich auch ganz gut gepolstert, wie mir mein Mann gern und oft versichert. Nur darum habe ich überlebt.«
Der Mann sah sie verdutzt an und fragte dann: »Wie lange sind Sie schon im Krankenhaus?«
»Die ersten fünf Tage lag ich im künstlichen Koma. Ich bin jetzt drei Wochen wieder wach, auch wenn es sich wie fünfzig Wochen anfühlt; gerade hat man mir eröffnet, dass ich noch länger bleiben muss. So ein Mist.«
»Dann war es ziemlich ernst?«
»Die Ärzte meinen, ich könnte von Glück reden, dass ich überlebt habe. Und mein Pferd auch.«
Ein eigenartiger Schimmer leuchtete im Gesicht des Mannes auf. »Hey«, meinte er vorsichtig, »Sind Sie vielleicht das Mädchen aus der Zeitung? Die Reiterin bei dem Pferderennen vor ein paar Wochen?«
Emily lächelte überrascht und drehte sich halb zu ihm um. »Ja. Genau die.«
»Wow!«, sagte Luke. »Ist das nicht irre? Ich habe immer wieder an Sie gedacht.«
»Im Ernst?«, fragte sie. Er sah wirklich unglaublich gut aus, aber er verwirrte sie auch.
»Keine Ahnung, warum. Manchmal liest man so eine kleine Meldung und behält sie eine Ewigkeit im Gedächtnis. Wahrscheinlich habe ich mich immer nur gefragt, wie es Ihnen wohl geht.«
»Tja, hier bin ich.«
»Da sind Sie! Das ist super. Wirklich super. Ich freue mich irrsinnig, dass Sie am Leben und wieder wohlauf sind.«
Jetzt sah er sie richtig an und bemerkte ihr hübsches Lächeln und die
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