Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer
verkehrte Welt vor. Anstatt in jahreszeitlichem Rhythmus ihre Blätter abzuwerfen, schälen Australiens Eukalypten regelmäßig, aber unkoordiniert ihre Rinde. Gräser und Farne kommen in Baumgröße vor, Bäume und Sträucher blühen in Form von grellfarbigen Knollen oder „Flaschenbürsten“. Die Schwäne sind schwarz, und auch die beiden Wappentiere Australiens, das Känguru und der Emu, zeichnen sich durch Merkwürdigkeiten aus. Der Emu kann nicht fliegen, sondern flitzt – ähnlich wie der Vogel Strauß – in großen Laufschritten über die Steppe, und das Känguru macht große Sprünge, anstatt sich wie „normale“ Säugetiere auf allen Vieren fortzubewegen.
Den ersten europäischen Neuankömmlingen, die ja größtenteils nicht freiwillig nach Australien gekommen waren, erschien ihre neue Umwelt fremd und feindlich. Diese Einstellung der Pioniere gegenüber der Natur klingt bis heute in den australischen Wörtern
Bush
und
Scrub
nach. Beide Wörter sind undifferenzierte Bezeichnungen für jede Art von Land, das nicht zu Siedlungszwecken, als Viehweide oder Feld genutzt wird. Solcherart von Gräsern, Strauchwerk, Gehölz oder dichtem Wald bedecktes Land galt und gilt noch immer als nutzlose Wildnis.
Clearing the Scrub
– das Roden von Land –galt denn auch bis in die 60er-Jahre als positive, zivilisatorische Aktivität.
Lebende Fossilien
Nach der Abtrennung vom Urkontinent Gondwanaland vor etwa 200 Mio. Jahren hatte Australiens Fauna und Flora genügend Zeit, ihren eigenen Entwicklungsgang zu beschreiten. Nur die in Tasmanien wachsende Südbuche
(Southern Beech, Nothofagus),
die auch in Neuseeland, Madagaskar, Afrika und Südamerika vorkommt, weist noch auf den gemeinsamen Ursprung hin. Zur Zeit der Abtrennung lebten in Australien Eier legende Kloakentiere und altertümliche Beuteltiere.
Australien war nicht immer so trocken wie heute. Bis vor 10 000 Jahren bestanden Landverbindungen nach Neuguinea. Breite Flüsse entwässerten Neuguinea und den Nordosten von Queensland; ihre Wassermassen speisten riesige Seen im Zentrum Australiens. Im feuchttropischen Klima wuchsen dichte Nadel- und Regenwälder sowie Palmenhaine, die – heute kaum vorstellbar – einst auch das heute wüstenähnliche Rote Zentrum bedeckten. Ausgrabungen förderten Fossilien von überdimensionaler Größe zutage: 3 m große Kängurus und Riesenkoalas, die diese prähistorischen Wälder und Savannen bevölkerten.
Einige prähistorische Tiere und Pflanzen haben als „lebende Fossilien“ bis heute überlebt. Zu diesen zählt der Lungenfisch
(neoceratus),
der nur im Mary River und einigen Flüssen im Südosten Queenslands anzutreffen ist. Er ähnelt europäischen Vettern, die schon vor 200 Millionen Jahren ausstarben. Mit den in Südamerika und Südafrika beheimateten Lungenfischen verbindet ihn hingegen wenig. Weitere lebende Fossilien sind das Schnabeltier
(platypus),
der Schnabeligel
(echidna)
und die Marienpalmen im Palm Valley sowie die Macrozamia-Palmen und Cycadeen in Zentral-Australien.
Vegetationszonen
Das heutige Australien kann man grob in drei unterschiedliche Vegetationszonen einteilen:
Die tropische Zone umfasst einen schmalen Streifen tropischen Regenwaldes an der Nordostküste sowie vereinzelte Flecken im Northern Territory. Der tropische Regenwald Australiens nimmt nur einen winzig kleinen Teil der australischen Landmasse ein, etwa ein Tausendstel, aber wie alle anderen tropischen Regenwälder der Erde zeichnet er sich durch eine ungeheure Artenvielfalt aus. Viele Tiere und Pflanzen kommen nur in dieser Region vor, einige Bewohner Nordost-Queenslands hingegen wie Kuskus, Baumkängurus und Kasuare sowie die insektenfressende Kannenpflanze sind auch in Neuguinea anzutreffen. Vereinzelt gibt es an der Küste im tropischen Norden Mangrovenwälder und Mangrovensümpfe. Zum Landesinnern hin gehen die Wälder oder Mangrovensümpfe in von Hartlaubgehölz bewachsene Savannen über, im Top End des Northern Territorys sind sie durchsetzt von ebenen Feuchtgebieten (Floodplains), die sich in der Regenzeit in riesige Seen verwandeln. Weiter landeinwärts weichen die Savannen langsam dem Grasland und der Steppe.
Typisch australische Vegetationsformen sind in der gemäßigten Zone anzutreffen. Hier finden wir die weiten, trockenen Eukalyptusbusch-Ebenen vor, die in Australien Mallee heißen, sowie Heiden, trockene und feuchte Hartlaubgehölze wie
Tea Trees
und
Paperbark Trees,
lichte Eukalyptuswälder, stellenweise Sümpfe und
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