Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer
wie kein anderes Land der Welt.
Weitere Faktoren, die das sonnige Bild trüben, sind das chronische Leistungsbilanzdefizit und eine hohe private Auslandsverschuldung.
Die Ureinwohner
Vor der Ankunft der Europäer
Die Ureinwohner kamen vermutlich vor 40000 bis 60000 Jahren von der Inselwelt Südostasiens in den Norden Australiens, wobei sie etliche Meeresstraßen mit seetüchtigen Booten überquert haben müssen. Jüngste archäologische Funde, die mit modernen Verfahren analysiert wurden, legen die erste Besiedlung Australiens sogar auf die kaum vorstellbare Zeit von vor 120000 Jahren zurück. Aber auch mit „nur“ etwa 40000 Jahren Geschichte können die australischen Aboriginesdie älteste kontinuierliche Kultur der Erde ihr eigen nennen. Nichts anderes besagt auch ihr Name. Er leitet sich vom lateinischen
ab origine
ab, was in freier Übersetzung bedeutet: jemand, der von Anfang an da war. Die Ureinwohner sahen sich nicht als ein einig Volk, sondern benutzten für ihre eigene Gruppe und andere Völker Eigennamen, ähnlich, wie wir von Deutschen, Polen und Franzosen sprechen.
Es gibt einige Sammelnamen, die aber immer nur für die Ureinwohner bestimmter Gebiete verwendet werden –
Koori
für die Ureinwohner Süd- und Südost-Australiens,
Murri
für jene Nordost-Australiens und
Noongah
(manchmal auch
Nyungar
geschrieben) für jene Südwest-Australiens. Die Bewohner der Inseln in der Torres Strait, der Meeresstraße zwischen Neuguinea und Australien, bezeichnet man als
Torres Strait Islanders.
In diesem Buch werden für die indigenen Australier die Begriffe Ureinwohner, Aborigines bzw. Torres Strait Islanders verwendet.
Darüber, wie viele Ureinwohner bei Ankunft der Europäer in Australien lebten, gehen die Schätzungen stark auseinander: zwischen 300 000 und 700 000. Sie bildeten etwa 500 Völker (oft wird der ungenaue Ausdruck „Stamm“ gebraucht) und weitere Untergruppen. Sie waren semi-nomadisierende Jäger und Sammler, deren materiell-technologische Kultur auf das Nötigste beschränkt war. Sie hatten jedoch ein äußerst komplexes soziales sowie spirituell-religiöses System entwickelt, das den Menschen als einen Bestandteil der natürlichen Welt betrachtete. Demnach ist jeder Mensch ein direkter Nachfahre mythischer Vorfahren, die in der Urzeit das Land und alle Lebewesen erschufen.
Diese Schöpfungsgeschichte, ungenau mit
Dreamtime
(Traumzeit) übersetzt, wurde in Liedern und Versen überliefert, die Initiierten bekannt waren. Jeder Teil der Landschaft, sei er noch so unscheinbar, jeder einzelne Felsen, Hügel, Baum oder Strauch, jede Wasserstelle oder Düne, hat für traditionell denkende Ureinwohner eine konkrete Bedeutung und bildet für sie einen unverrückbaren Teil ihrer Identität. Sie und das Land ihrer Vorfahren gehören als organisches Ganzes zusammen. Nichts ist dieser Sichtweise fremder als die Vorstellung, dass man Land besitzen und für Geld kaufen und verkaufen kann, denn demnach betrachtet die gegenwärtige Generation sich in einer langen Kette von Vorfahren und Nachfahren als die gegenwärtigen Hüter „ihres“ Landes.
Ihre Spiritualität ermöglichte es den Ureinwohnern, 40000 Jahre in Frieden und Einklang mit der Natur zu leben. Allerdings wirkten sie durchaus auch auf die Natur ein. Da Savannen und offene, lichte Wälder sich besser zum Jagen eigneten als dichte Urwälder, brannten sie regelmäßig ihre Jagdgründe ab. Vor 10000 Jahren brachten sie den Dingo, den australischen Wildhund nach Australien, der zum Aussterben des tasmanischen Teufels und des tasmanischen Tigers
(Thyiacene,
auch Beutelwolf genannt) auf dem Festland führte. Die im Norden lebenden Aborigines hatten vor Ankunft der Europäer zwei- bis vierhundert Jahre lang sporadische Kontakte mit Seeleuten aus dem indonesischen Archipel und Völkern aus Neuguinea; auf eine große Invasion von Fremden waren sie jedoch nicht vorbereitet.
Kolonisierung und die Folgen
Für die britischen Neuankömmlinge galt die Doktrin
Australia, Terra Nullius
– sie betrachteten Australien als Land, das keinem gehörte und deshalb auch ohne Weiteres in Besitz genommen werden konnte. Die paar dunkelhäutigen Ureinwohner fielen nach dieser Auffassung nicht weiter ins Gewicht. Sie streiften ja nur, mit Steinzeitwerkzeugen ausgerüstet, durch das Land, betrieben keinen für europäische Augen erkennbaren Ackerbau, hatten keine erkennbaren permanenten Siedlungen aufzuweisen – von „Besitz“ konnte also, so lautete die bequeme
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