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Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Titel: Australien Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Dehne
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Legitimation der Landnahme, keine Rede sein. Die Terra-Nullius-Fiktion wurde erst 1992 in einem Gerichtsurteil des High Court aufgehoben (s. S. 113 ).
    Zahlreiche Ureinwohner fielen den von europäischen Siedlern eingeschleppten Krankheiten zum Opfer, gegen die sie in ihrer jahrtausendelangen geografischen Isolation keinerlei Abwehrkräfte entwickelt hatten: Pocken, Grippe, Diphterie, Masern, Typhus und Geschlechtskrankheiten. Die erste Pockenepidemie brach im April 1789 aus, 15 Monate nach der Gründung der ersten Siedlung am Sydney Cove, und raffte die meisten Ureinwohner in der Umgebung dahin.
    Als die Pastoralisten ab Anfang des 19. Jhs. auf der Suche nach Weideland für ihre riesigen Viehherden immer weiter von den Küsten ins Hinterland vordrangen, wurden Aborigines vom Land ihrer Vorfahren vertrieben. Sie verloren damit ihre Heimat, den zentralen Bezugspunkt ihrer Identität, aber auch ihre Nahrungs- und Trinkwasserquellen. Rinder und Schafe fraßen den Kängurus, Wallabies und anderen einheimischen Tieren das Gras weg, verschmutzten Wasserlöcher und Bäche und wühlten mit ihren harten Hufen die dünne fruchtbare Erdschicht an der Oberfläche auf. Bäume wurden gefällt, ganze Wälder gerodet; Pflanzen, die in der Ernährung der Ureinwohner eine wichtige Rolle gespielt hatten (z. B.
myrnong,
wilde Yams, im Westen Victorias) verschwanden.
    Mit den Folgen der Einführung europäischer Tiere und der bedenkenlosen Abholzung ganzer Landstriche – zunehmende Erosion und Versalzung der Böden – muss sich Australien bis heute auseinandersetzen, s. S. 102 . Aborigines setzten sich mit Viehdiebstählen zur Wehr, auch mit guerillaartigen Überfällen auf weiße Siedler, und bestätigten damit nur deren Überzeugung, die „Schwarzen“ seien hinterhältig und eine Bedrohung. Die nächsten gedanklichen Schritte lagen nahe: Die „primitiven“ Ureinwohner trügen kaum noch menschliche Züge, glichen eher wilden Tieren, seien wie Ungeziefer.
    So waren, wie ein britischer Hochkommissar im Jahre 1883 über die in Queensland weitverbreitete Einstellung gegenüber den Aborigines berichtete, selbst äußerst gebildete und kultivierte Gentlemen in der Lage, über das Töten einzelner Ureinwohner zu sprechen, als redeten sie über die Erlegung eines Raubtieres oder über eine sportliche Jagd. Bei Verfolgungs- und Vergeltungsjagden wurde oft Native Police eingesetzt, die von der Kolonialadministration aus orts- und stammesfremden Aborigines rekrutiert wurde. Diese „schwarzen Polizisten“ waren bei den verfolgten Aborigines besonders gefürchtet, da sie sich – im Gegensatz zu den meisten Weißen – bestens im Busch auskannten, über einen hervorragenden Spürsinn verfügten und darüber hinaus die Sache ihrer weißen Vorgesetzten zu ihrer eigenen gemacht hatten.
    Angesichts der weitverbreiteten mörderischen Praktiken der Siedler gewann man in der Kolonialverwaltung die Überzeugung, dass die Ureinwohner des Schutzes bedürften. Da der Erlass von Schutzgesetzen wenig bewirkte, bot sich die Lösung an, sie physisch von den potenziellen Mördern, Vergewaltigern, Opium- und Alkoholverkäufern fernzuhalten. Reservate und christliche Missionsstationen wurden gegründet, meist in abgelegenen, schwer zugänglichen Gebieten (in Queensland u. a. auf Palm Island, Mornington Island und der Yarrabah Peninsula), und Ureinwohner wurden teils überredet und mit Versprechungen angelockt, teils gezwungen, sich „zu ihrem eigenen Schutz“ dort anzusiedeln. Meist fand sich in diesen Siedlungen ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Menschen zusammen, die aus ihrem traditionellen Familien- und Stammeszusammenhang herausgerissen waren, keine Beziehung zur neuen „Heimat“, und wenig oder gar nichts mit den anderen Ureinwohnern gemeinsam hatten, auch keine Sprache.
    Die Missionare ließen Äcker, Gemüse- und Obstgärten anlegen, Schlafräume, Schulen und Kapellen errichten, sorgten für Wasserzufuhr und Abwasserentsorgung, und in dieser Hinsicht stellten ihre Missionsstationen in der Tat eine Zuflucht dar. Sie hatten dort aber auch die unumschränkte Autorität inne; waren praktisch Gesetzgeber, Polizei und Richter in einem. Sie waren der rechtliche Vormund jedes Kindes und jedes Erwachsenen, kontrollierten jedermanns Einkommen, erließen strikte Verhaltens- und Kleidungsvorschriften. Englisch war die einzig akzeptierte Sprache; die Muttersprachen, alle Geschichten oder Verhaltensweisen, die an die alten „heidnischen“ Gewohnheiten

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