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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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vollkommensten Kälte der Resignation in sich gekehrt, um mit Papier und Feder, oder Druckerschwärze, sich für seine imaginäre Verwirklichung zu begnügen.
    Was würde uns nun der Maler und Bildhauer antworten, wenn wir ihm sagten: begnüge dich mit Papier und Bleistift, verzichte aber auf Farbe und Pinsel, auf Stein und Meißel, denn diese gehören nicht dem Künstler, sondern der öffentlichen Industrie? – Er würde erwidern, daß ihm dadurch die Möglichkeit der Verwirklichung seines künstlerischen Gedankens entzogen, und er somit in den Zwang versetzt wäre, diesen Gedanken nur andeuten, nicht aber ausführen zu dürfen. – Wir könnten ihm dann entgegnen: nun so nimm die Werkzeuge der Industrie zur Hand, wie du sie dem Dichter mit unserem industriellen Theater zumuthest; ordne deine Absicht dem Zwecke und dem Materiale des Butikenschildmalers oder des Grabsteinhauers unter, so wirst du ganz Dasselbe thun, was du dem Dichter mit der Verweisung auf unsere Bühne zuerkennst. Findest du, daß deine Absicht hierbei vollkommen entstellt und unverständlich gemacht werden würde, so geben wir dir dann den Rath: begnüge dich also eben auch damit, deinen Gedanken nur durch den Entwurf anzudeuten; verkaufe den Entwurf beim Kunsthändler, und du hast den Vortheil, denselben in tausenden von gestochenen oder lithographirten Exemplaren wohlfeil verbreitet zu sehen! Sieh', hiermit begnügt sich ja auch der Dichter unserer Tage; solltest du mehr verlangen können wie er, und namentlich unter der Begünstigung einer »Goethestiftung«? – In Wahrheit verlangt der bildende Künstler mehr; er will eben sein verwirklichtes Kunstwerk gefördert haben: der Bildhauer will seine Statue in Marmor oder Erz, der Maler sein Gemälde mit Farbe auf Leinwand ermöglicht und diese Ermöglichung durch einen zugesicherten Absatz seines Kunstexemplares gewährleistet sehen. Deßhalb auch will er eben den Dichter von der Konkurrenz ausgeschlossen wissen, weil er diesen nur als Litteraten im Sinne hat, dem sein Material leicht zu verschaffen ist, und der durch den Buchhandel bereits seinen Zweck, sei es Lohn oder Anerkennung, erreichen kann: das, was der bildende Künstler von vorn herein verschmäht, die bloß literarische Wirksamkeit, mit dem soll sich der Dichter ein- für allemal begnügen, und um dieser geforderten Begnügung willen wiederum von der Konkurrenz ausgeschlossen sein. Wie wäre es nun, wenn der Dichter – zumal in vernünftiger Betrachtung der Bedeutung einer »Goethestiftung« – heranträte und erklärte, mit der bloßen Litteratenrolle sich nicht begnügen, seinen Gedanken im Litteraturgedichte nicht mehr nur entworfen, sondern im scenischen Kunstwerke ebenso lebendig verwirklicht sehen zu wollen, wie Maler und Bildhauer im farbigen Ölgemälde oder in der marmornen Statue seinen Gedanken hinstellt? Wie wäre es ferner, wenn er, in Erwägung der Untauglichkeit der vorhandenen Theater, unter Anrufung des Namens Goethe 's darauf dränge, daß ihm zu allernächst das künstlerische Organ zu jener ihm nöthigen Verwirklichung in einem, dem Wesen seiner höheren Absicht entsprechenden Theater geschaffen werde, da sich der Dichter unmöglich ein Theater in der Weise selbst verschaffen kann, wie der bildende Künstler in seinem technischen Materiale das Mittel der Darstellung sich leicht gewinnt? Möglich, daß in selbstgefälliger Zerstreutheit der bildende Künstler diese Forderung als übertrieben und zu der seinigen nicht stimmend ansehen dürfte. Der Dichter, vorläufig auf den Umstand sich stützend, daß es sich hier zufällig nicht um eine Stiftung zu Ehren Dürer's oder Thorwaldsen's, sondern Goethe 's handle, hätte ihm dann aber noch etwas schärfer zuzusetzen, indem er ihm erklärte, daß das Dichterwerk, ohne seine Verwirklichung auf der Scene, mit dem verwirklichten Kunstwerke des Bildners zusammengehalten, in der allerungerechtesten Mißstellung dem öffentlichen Kunsturtheile vorgeführt würde, und daß eine solche Mißstellung – mindestens im Sinne einer »Goethestiftung« – eine vollendete Unwürdigkeit wäre; daß ferner eine »Goethestiftung« nur dann einen vernünftigen Zweck habe, wenn sie zu allernächst für die Beschaffung der Mittel sorge, durch welche eine Gleichstellung der Kunstarten im Vermögen ihrer Kundgebung erreicht würde, und daß sie in dem vorliegenden Falle um so energischer zu wirken habe, als es – zu Ehren des Andenkens unseres größten Dichters – die Aufhebung der

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