Auswahl seiner Schriften
kenntlich hinzustellen: es kann sich bei ihm, rein praktisch aufgefaßt, nur um eine Entschädigung für seine aufgewendete Zeit und das technische Material handeln, – ein Material, das er für baare Auslage mit Sicherheit sich zu verschaffen weiß. Ist der hierauf bezügliche Handel abgeschlossen, hat er sich Material und Zeit verschafft, oder hat er für dessen Aufwendung sich entschädigt, so ist die rein soziale Frage der Existenz seines Kunstwerkes gelöst, das er nun in seiner vollen, zweifellosen Wirklichkeit nur noch der künstlerischen Beurtheilung zu empfehlen hat: die Frage, wie hoch der Genuß seines Kunstwerkes als geistiges Produkt belohnt werden soll, ist dann eine ganz andere, die mit der Förderung seines Kunstwerkes bis zur Ermöglichung eines unbefangenen Urtheiles über dasselbe nichts zu thun hat. – Wie steht es dagegen mit dem Werke des Dichters und Musikers, wenn es aus dem litterarisch formulirten Gedanken zur unfehlbar bestimmenden sinnlichen Erscheinung gelangen soll?
Fassen wir zunächst den Dichter allein in das Auge. – Dieser dringt zur Wirklichkeit des Kunstwerkes – in dem Sinne der Wirklichkeit des Werkes der bildenden Kunst – nur im Drama vor, und zwar eben nicht im Litteraturdrama, sondern in dem auf der Scene wirklich dargestellten . Wie verhalten sich nun die Organe dieser scenischen Darstellung zu den mechanischen Instrumenten und dem Materiale des Bildhauers oder Malers? Gerade wie Organismus zum Mechanismus überhaupt. Die verwirklichenden Organe des Dichters sind nichts Minderes als menschliche Künstler, und die Kunst der dramatischen Darstellung ist wiederum eine eigentümliche, durch und durch lebenvolle Kunst. Wo findet der Dichter diese, einzig sein Werk ermöglichenden Künstler und diese, seinen Gedanken verwirklichende Kunst, die als Werkzeuge und Werk der Mechanik dem bildenden Künstler überall, wo moderne Civilisation sich ausgebreitet hat, mit leichter Mühe zu Gebote stehen? Maler und Bildhauer antworten: auf unseren Theatern, von denen fast jede Stadt eines besitzt. – Die Sache wäre somit sehr kurz abgemacht, wenn nicht aus der Erfahrung die andere Frage entstünde, ob diese Theater wirklich die Kunstmittel enthielten, die dem Dichter, den wir im Sinne der »Goethestiftung« im Auge haben, ebenso unzweifelhaft sichere Organe zur Verwirklichung seiner Absicht bieten, als der Bildhauer in Thon, Stein und Meißel, oder der Maler in Leinwand, Farbe und Pinsel sie zur Verfügung hat? Wem sollte es einfallen können, diese Frage mit Ja beantworten zu wollen? – Da wir gerade von einer »Goethe«stiftung sprechen, so läge uns – dächte ich – die Erfahrung nicht so weit ab, daß unser größter Dichter jene künstlerischen Organe zur Verwirklichung seiner höchsten Absichten eben nicht fand: wir sehen, daß dieser Dichter durch seinen inneren Gestaltungstrieb zu jeder Zeit auf die vollendetste Äußerung dieses Triebes im wirklichen Drama hingedrängt wurde; wir sehen ihn mit unendlicher Sorge und Mühe sich dem Versuche hingeben, sich aus dem vorhandenen Theater jenes verwirklichende Organ zu gewinnen; wir sehen ihn endlich in verzweiflungsvoller Unlust sich von dieser Qual abwenden, um im bloß litterarischen Schaffen, im wissenschaftlichen Dichten und Trachten, eine gedachte künstlerische Ruhe und Erholung zu gewinnen, – und könnten einen Augenblick im Zweifel darüber sein, ob einem Dichter im Goethe'schen Sinne die Organe zur Verwirklichung des dichterischen Kunstwerkes leicht und mühelos, oder überhaupt nur vorhanden wären? – Wohl sind Theater vorhanden und in jeder Stadt wird fast jeden Abend Theater gespielt: aber es ist auch eine Litteratur vorhanden, die in ihrem edelsten Geiste fast nur von der Unmöglichkeit lebt, in der sich unsere wahrhaft dichterischen Köpfe befinden, diesen Theatern zur Verwirklichung ihrer Absichten beikommen zu können. Unsere Theater stehen mit dem edelsten Geiste unserer Nation in gar keiner Berührung: sie bieten Zerstreuung für die Langeweile, oder Erholung von geschäftlichen Mühen, und bestehen somit durch eine Wirksamkeit, mit welcher der wahre Dichter durchaus nichts gemein hat; den Stoff zu ihren Produktionen nehmen sie vom Auslande, oder aus Nachahmungen desselben, die genau nur für den Zweck der eben bezeichneten Wirksamkeit verfertigt sind: ihre künstlerischen Darstellungsmittel bilden sich wiederum gerade nur für diesen Zweck und der dichterische Geist steht vor dieser Erscheinung mit der
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