Auswahl seiner Schriften
wirken; er liebt sie heftig, und will das Geheimniß durchbrechen: sie weist ihn prophetisch zurück. Bei einem Anschlag auf sein Leben fängt sie den tödllichen Stoß mit ihrer Brust auf: sterbend bekennt sie sich als Manfred's Schwester, und läßt ihre volle Liebe zu ihm errathen. Der gekrönte Manfred nimmt für immer von seinem Glücke Abschied.
Dieses, wohl nicht glanz- und wärmelose Bild, das meine heimathssehnsüchtige Phantasie mir in der Beleuchtung eines historischen Sonnenuntergangsscheines zuführte, vermischte sich sogleich, als meinem inneren Auge die Gestalt des Tannhäusers sich darstellte. Jenes Bild war mir von Außen vorgezaubert; diese Gestalt entsprang aus meinem Inneren. In ihren unendlich einfachen Zügen war sie mir umfassender und zugleich bestimmter, deutlicher als das reichglänzende, schillernde und prangende historisch-poetische Gewebe, das wie ein prunkend faltiges Gewand die wahre, schlanke menschliche Gestalt verbarg, um deren Anblick es meinem inneren Verlangen zu thun war, und die eben im plötzlich gefundenen Tannhäuser sich ihm darbot. Hier war eben das Volks gedicht, das immer den Kern der Erscheinung erfaßt, und in einfachen, plastischen Zügen ihn wiederum zur Erscheinung bringt; während dort, in der Geschichte – d. h. nicht wie sie an sich war, sondern wie sie uns einzig kenntlich vorliegt – diese Erscheinung in unendlich bunter, äußerlicher Zerstreutheit sich kundgiebt, und nicht eher zu jener plastischen Gestalt gelangt, als bis das Volksauge sie ihrem Wesen nach ersieht, und als künstlerischen Mythos gestaltet.
Dieser Tannhäuser war unendlich mehr als Manfred; denn er war der Geist des ganzen gibelinischen Geschlechtes für alle Zeiten, in eine einzige, bestimmte, unendlich ergreifende und rührende Gestalt gefaßt, in dieser Gestalt aber Mensch bis auf den heutigen Tag, bis in das Herz eines lebenssehnsüchtigen Künstlers. Doch von diesen Beziehungen später!
Für jetzt berichte ich bloß noch, daß ich auch in der Wahl des Tannhäuserstoffes gänzlich ohne Reflexion verfuhr, und bestätige somit nur die Erscheinung, daß ich, ohne kritisches Bewußtsein, durchaus unwillkürlich zu meiner Entscheidung mich bestimmt fühlte. Durch meine Erzählung allein erhellt es, wie ganz ungrundsätzlich ich mit dem fliegenden Holländer meine neue Bahn eingeschlagen hatte. Mit der »Sarazenin« war ich im Begriffe gewesen, mehr oder weniger in die Richtung meines »Rienzi« mich zurückzuwerfen, um eine große fünfaktige »historische« Oper zu verfertigen: erst der überwältigende, mein individuelles Wesen bei weitem energischer erfassende Stoff des Tannhäusers, erhielt mich im Festhalten der mit Notwendigkeit eingeschlagenen neuen Richtung. Es geschah dies, wie ich nun berichten will, unter noch andauernden lebhaften Konflikten mit zufälligen äußeren Einflüssen, die allmählich meine Richtung mir auch zu immer deutlicherem Bewußtsein bringen sollten. – –
Endlich, nach fast dreijährigem Aufenthalte, verließ ich, neunundzwanzig Jahre alt, Paris. Meine direkte Reise nach Dresden führte durch das thüringische Tal, aus dem man die Wartburg auf der Höhe erblickt. Wie unsäglich heimisch und anregend wirkte auf mich der Anblick dieser mir bereits gefeiten Burg, die ich – wunderlich genug! – nicht eher wirklich besuchen sollte, als sieben Jahre nachher, wo ich – bereits verfolgt – von ihr aus den letzten Blick auf das Deutschland warf, das ich damals mit so warmer Heimatsfreude betrat, und nun als Geächteter, landesflüchtig verlassen musste! – –
Ich traf in Dresden ein, um die versprochene Aufführung meines Rienzi zu betreiben. Vor dem wirklichen Beginne der Proben machte ich noch einen Ausflug in das böhmische Gebirge: dort verfaßte ich den vollständigen scenischen Entwurf des »Tannhäuser«. Bevor ich an seine Ausführung gehen konnte, sollte ich mannigfaltig unterbrochen werden. Das Einstudieren meines Rienzi begann, dem manche Zurechtlegungen und Änderungen der ausschweifend weit ausgeführten Komposition vorangingen. Die Beschäftigung mit der endlichen Aufführung einer meiner Opern unter so genügenden Verhältnissen, wie sie mir das Dresdener Hoftheater darbot, war für mich ein neues Element, das lebhaft zerstreuend auf mein Inneres wirkte. Ich fühlte mich damals von meinem Grundwesen so heiter abgezogen, und auf das Praktische gerichtet aufgelegt, daß ich es sogar vermochte, einen früheren, längst bereits vergessenen
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