Auswahl seiner Schriften
mir glücklicher Weise einer meiner Freunde, ein deutscher Philolog, der es zufällig in seinem Besitze hatte, verschaffen konnte. – Dieses Gedicht ist, wie bekannt, unmittelbar mit einer größeren epischen Dichtung » Lohengrin « in Zusammenhang gesetzt: auch dieß studirte ich, und hiermit war mir mit einem Schlage eine neue Welt dichterischen Stoffes erschlossen, von der ich zuvor, meist nur auf bereits Fertiges, für das Operngenre Geeignetes ausgehend, nicht eine Ahnung gehabt hatte. – Ich muß die hieraus gewonnenen Eindrücke näher bezeichnen.
Wichtig wird es manchem Anhänger der historisch-dichterischen Schule sein, zu erfahren, daß ich zwischen der Vollendung des fliegenden Holländers und der Konzeption des Tannhäusers, mich mit dem Entwürfe zu einer historischen Operndichtung beschäftigte; unerfreulich, und als Beweis für meine Unfähigkeit wird es ihm gelten, wenn er erfährt, daß ich diesen Entwurf gegen den des Tannhäusers fahren ließ. Ich will für jetzt hier einfach nur den Hergang berichten, weil ich den hierher bezüglichen ästhetischen Gegenstand bei der Erzählung eines späteren Konfliktes ähnlicher Art, näher zu besprechen Veranlassung gewinnen werde.
Meine Sehnsucht nach der Heimath hatte, sagte ich, Nichts von dem Charakter des politischen Patriotismus; dennoch würde ich unwahr sein, wenn ich nicht gestehen wollte, daß auch eine politische Bedeutung der deutschen Heimath meinem Verlangen vorschwebte: natürlich konnte ich diese aber nicht in der Gegenwart finden, und eine Berechtigung zu dem Wunsche einer solchen Bedeutung – wie unsere ganze historische Schule – nur in der Vergangenheit aufsuchen. Um mich zu vergewissern über das, was ich an der deutschen Heimath, nach der ich mich doch sehnte, denn eigentlich liebte, führte ich mir das Bild der Eindrücke meiner Jugend zurück, und um dieß klar und deutlich zu ersehen, schlug ich im Buche der Geschichte nach. Bei dieser Gelegenheit suchte ich auch noch nach einem Opernstoffe; nirgends in den großen Zügen der alten deutschen Kaiserwelt bot er sich mir aber dar, und ohne deutliches Wissen fühlte ich, daß diese Züge, um durchaus getreu und verständlich dargestellt zu werden, ganz in dem Grade sich der Fähigkeit zur Dramatisirung überhaupt entzogen, als sie namentlich auch meiner musikalisch-künstlerischen Anschauung, mit unumfangbarer Sprödigkeit sich entwanden. – An einem Zuge endlich haftete ich, weil ich hier ein freieres Gewährenlassen meines dichterischen Gestaltungstriebes mir zu erlauben für gestattet halten durfte. Es war dieß ein Zug aus den letzten Momenten der Hohenstaufischen Welt. Manfred , Friedrich's II. Sohn, reißt sich aus dem Zustande der Muthlosigkeit und Versunkenheit in lyrische Ergetzung, wirft sich, von äußerster Noth gedrängt, nach Luceria, der Stadt, die von seinem Vater den aus Sicilien versetzten Sarazenen mitten im hochheiligen Kirchenstaate zum Wohnort angewiesen worden war, und gewinnt, zunächst durch die Hilfe dieser streitlichen und leicht zu begeisternden Söhne Arabiens, das ganze, vom Papste und den herrschenden Welfen ihm bestrittene Reich Appulien und Sicilien; mit seiner Krönung schloß der dramatische Entwurf. In diesen rein geschichtlichen Vorgang wob ich eine erdichtete weibliche Gestalt: ich entsinne mich jetzt, daß sie mir aus dem Anschauen einer bereits längst mir zu Gesicht gekommenen Zeichnung, als Erinnerung entsprang: es war dieß eine Darstellung Friedrich's II., umgeben von seinem fast ganz arabischen Hofe, aus welchem namentlich singende und tanzende orientalische Frauengestalten lebhaft meine Phantasie fesselten. Den Geist dieses Friedrich's, meines Lieblinges, verkörperte ich nun in der Erscheinung einer jungen Sarazenin, der Frucht einer Liebesumarmung Friedrich's und einer Tochter Arabiens während jenes friedlichen Aufenthaltes des Kaisers in Palästina. Das Mädchen hatte daheim von dem tiefen Falle des gibelinischen Hauses Kunde erhalten: mit dem Feuer desselben arabischen Enthusiasmus', der noch jüngst dem Oriente Liebeslieder für Bonaparte eingab, machte sie sich nach Appulien auf. Dort, am Hofe des entmuthigten Manfred, erscheint sie als Prophetin, begeistert, reißt zu Thaten hin; sie entzündet die Araber in Luceria, und führt, überall hin Enthusiasmus ausgießend, den Sohn des Kaisers von Sieg zu Sieg bis zum Throne Geheimnißvoll verbarg sie ihre Abkunft, um auch in Manfred selbst durch das Räthsel ihrer Erscheinung zu
Weitere Kostenlose Bücher