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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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worden. Diese Annahme galt mir im Allgemeinen für ein fast überraschend aufmunterndes Liebeszeichen und einen freundlichen Gruß aus Deutschland, die mich um so wärmer für die Heimath stimmten, als die Pariser Weltluft mich mit immer eisigerer Kälte anwehte. Mit all' meinem Dichten und Trachten war ich schon ganz nur noch in Deutschland. Ein empfindungsvoller, sehnsüchtiger Patriotismus stellte sich bei mir ein, von dem ich früher durchaus keine Ahnung gehabt hatte. Dieser Patriotismus war frei von jeder politischen Beifärbung; denn so aufgeklärt war ich allerdings schon damals, daß das politische Deutschland, etwa dem politischen Frankreich gegenüber, nicht die mindeste Anziehungskraft für mich besaß. Es war das Gefühl der Heimathlosigkeit in Paris, das mir die Sehnsucht nach der deutschen Heimath erweckte: diese Sehnsucht bezog sich aber nicht auf ein Altbekanntes, Wiederzugewinnendes, sondern auf ein geahntes und gewünschtes Neues, Unbekanntes, Erstzugewinnendes, von dem ich nur das Eine wußte, daß ich es hier in Paris gewiß nicht finden würde. Es war die Sehnsucht meines fliegenden Holländers nach dem Weibe, – aber, wie gesagt, nicht nach dem Weibe des Odysseus, sondern nach dem erlösenden Weibe, dessen Züge mir in keiner sicheren Gestalt entgegentraten, das mir nur wie das weibliche Element überhaupt vorschwebte; und dieß Element gewann hier den Ausdruck der Heimath , d. h. des Umschlossenseins von einem innig vertrauten Allgemeinen, aber einem Allgemeinen, das ich noch nicht kannte, sondern eben erst nur ersehnte, nach der Verwirklichung des Begriffes »Heimath«; wogegen zuvor das durchaus Fremde meiner früheren engen Lage als erlösendes Element vorschwebte, und der Drang, es aufzufinden, mich nach Paris getrieben hatte. Wie ich in Paris enttäuscht worden war, sollte ich es nun auch in Deutschland werden. Mein fliegender Holländer hatte allerdings die neue Welt noch nicht entdeckt: sein Weib konnte ihn nur durch ihren und seinen Untergang erlösen. – Doch fahren wir fort!
    Ganz schon nur mit meiner Rückkehr nach Deutschland und mit der Beschaffung der nöthigen Mittel dazu beschäftigt, mußte ich, gerade um dieser letzteren willen, nach der Beendigung des fliegenden Holländers noch einmal zur musikhändlerischen Lohnarbeit greifen. Ich machte Klavierauszüge von Halévy'schen Opern. Ein gewonnener Stolz bewahrte mich aber bereits vor der Bitterkeit, mit der mich früher diese Demütigung erfüllt hatte. Ich behielt guten Humor, korrespondierte mit der Heimat wegen der vorrückenden Zurüstungen zur Aufführung des Rienzi; aus Berlin traf selbst die Bestätigung der Annahme meines fliegenden Holländers zur Aufführung ein. Ich lebte ganz schon in der ersehnten, nun bald zu betretenden heimischen Welt. –
    In dieser Stimmung fiel mir das deutsche Volksbuch vom » Tannhäuser « in die Hände; diese wunderbare Gestalt der Volksdichtung ergriff mich sogleich auf das Heftigste; sie konnte dies aber auch erst jetzt . Keineswegs war mir der Tannhäuser an sich eine völlig unbekannte Erscheinung: schon früh war er mir durch Tiecks Erzählung bekannt geworden. Er hatte mich damals in der fantastisch mystischen Weise angeregt, wie Hoffmanns Erzählungen auf meine jugendliche Einbildungskraft gewirkt hatten; nie aber war von diesem Gebiete aus auf meinen künstlerischen Gestaltungstrieb Einfluß ausgeübt worden. Das durchaus moderne Gedicht Tiecks las ich jetzt wieder durch, und begriff nun, warum seine mystisch kokette, katholisch frivole Tendenz mich zu keiner Teilnahme bestimmt hatte; es ward mir dies aus dem Volksbuche und dem schlichten Tannhäuserliede ersichtlich, aus dem mir das einfache echte Volksgedicht der Tannhäusergestalt in so unentstellten, schnell verständlichen Zügen entgegentrat. – Was mich aber vollends unwiderstehlich anzog, war die, wenn auch sehr lose Verbindung, in die ich den Tannhäuser mit dem »Sängerkrieg auf Wartburg« in jenem Volksbuche gebracht fand. Auch dieses dichterische Moment hatte ich bereits früher durch eine Erzählung Hoffmanns kennen gelernt; aber, gerade wie die Tieck'sche vom Tannhäuser, hatte sie mich ganz ohne Anregung zu dramatischer Gestaltung gelassen. Jetzt geriet ich darauf, diesem Sängerkriege, der mich mit seiner ganzen Umgebung so unendlich heimatlich anwehte, in seiner einfachsten, echtesten Gestalt auf die Spur zu kommen; dies führte mich zu dem Studium des mittelhochdeutschen Gedichtes vom »Sängerkriege«, das

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