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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Stimmung, die mir durch den Umschwung meiner äußeren Verhältnisse gekommen war, und durch den ersten Genuss einer gesicherten Lebenslage, namentlich aber auch einer öffentlichen Zuneigung und Bewunderung, sich bis zu einem wollüstig freudigen Selbstgefühle steigerte, verführte mich bald immer gründlicher zur Verkennung und Mißverwendung meines eigentlichen Wesens, wie es sich bis dahin mit notwendiger Konsequenz entwickelt hatte. Zunächst täuschte mich die, immerhin wohl nicht durchaus grundlose, Annahme eines schnellen, oder – wenn langsameren – doch unausbleiblichen, lohnbringenden Erfolges meiner Opern durch ihre Verbreitung über die deutschen Theater. Verführte mich der hartnäckige Glaube hieran in der Folge immer mehr zu Opfern und Unternehmungen, die bei ausbleibendem Erfolge meine äußeren Verhältnisse von Neuem zerrütten mußten, so lenkte der ihm zu Grunde liegende, mehr oder weniger auf hastigen Genuss zielende Trieb, mich eine Zeit lang unmerklich auch von meiner eingeschlagenen künstlerischen Richtung ab. Das hierauf Bezügliche dünkt mich der Mitteilung nicht unwert, weil in ihm ein gewiss nicht unbedeutendes Material zur Beurteilung der Entwickelung einer künstlerischen Individualität liegt.
    Sogleich nach dem Erfolge des Rienzi auf dem Dresdener Hoftheater, fasste die Direktion den Beschluß, auch meinen »fliegenden Holländer« alsbald zur Aufführung bringen zu lassen. Die Annahme dieser Oper von Seiten der Berliner Hoftheaterintendanz war nichts anderes als eine künstlich veranlasste, wohlfeile und durchaus erfolglose Gefälligkeitsbezeigung gewesen. Bereitwillig erfaßte ich das Anerbieten der Dresdener Direktion, und studierte die Oper schnell ein, ohne sonderliche Sorge für die Mittel der Aufführung: das Werk erschien mir unendlich einfacher für die Darstellung, als der vorangegangene Rienzi, die Anordnung der Scene leichter und verständlicher. Die männliche Hauptpartie zwang ich fast einem Sänger auf, der genug Erfahrung und Selbstkenntnis hatte, um sich der Aufgabe nicht gewachsen zu fühlen. – Die Aufführung mißglückte in der Hauptsache durchaus. Dieser Erscheinung gegenüber fühlte sich das Publikum um so weniger zu Erfolgsbezeigungen bestimmt, als es von dem Genre selbst verdrießlich berührt wurde, indem es durchaus etwas dem Rienzi ähnliches erwartet und verlangt hatte, nicht aber etwas ihm geradeweges Entgegengesetztes. Meine Freunde waren betreten über diesen Erfolg; es lag ihnen fast nur daran, seinen Eindruck sich und dem Publikum zu verwischen, und zwar durch eine feurige Wiederaufnahme des Rienzi. Ich selbst war verstimmt genug, um zu schweigen, und den fliegenden Holländer unverteidigt zu lassen.
    In meiner, bereits bezeichneten, damaligen Hauptstimmung lag es, daß ich das zunächst Erfolgreiche vorzog, und nach Innen zu mich mit den Hoffnungen betäubte, die in jener bisher erfolgreichen Richtung sich mir darboten. Ich gerieth unter diesen äußeren Eindrücken von Neuem in ein Schwanken, das auf eine stark beunruhigende Weise durch meine Berührungen mit der Schröder-Devrient vermehrt wurde. –
    Bereits deutete ich an, welchen außerordentlichen und nachhaltigen Eindruck in früherer Jugend die künstlerische Lebenserscheinung dieser in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Frau auf mich gemacht hatte. Jetzt, nach einer Zwischenzeit von acht Jahren, trat ich mit ihr in persönliche Berührung, deren Grund und Zweck meine künstlerische, mir tief bedeutsame Beziehung zu ihr war. Ich traf diese geniale Natur mit sich und ihrem Wesen in die mannigfaltigsten Widersprüche verwickelt, die mich so beunruhigend mit berührten, als sie mit leidenschaftlicher Heftigkeit in ihr sich äußerten. Die Verzerrtheit und widerliche Hohlheit unseres modernen Theaterwesens war um so weniger ohne Einfluß auf die Künstlerin geblieben, als diese, weder als Künstlerin noch als Weib, jene kalte Ruhe des Egoismus' besaß, mit der sich z. B. eine Jenny Lind gänzlich außer dem Rahmen des modernen Theaters stellt, und sich frei von jeder kompromittirenden Berührung mit diesem erhält. Die Schröder-Devrient war weder in der Kunst noch im Leben eine Erscheinung jenes Virtuosenthums, das nur durch vollständige Vereinzelung gedeiht und in ihr allein zu glänzen vermag: sie war hier wie dort durchaus Dramatikerin, im vollen Sinne des Wortes; sie war auf die Berührung, auf die Verschmelzung mit dem Ganzen hingedrängt, und dieß Ganze war eben in Leben und Kunst

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