Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
Vom Netzwerk:
Genußsinnlichkeit der mich weithin umgebenden modernen Gegenwart in Leben und Kunst, mir als ein reines, keusches, jungfräuliches, unnahbar und ungreifbar liebendes erscheinen mußte. Was endlich konnte diese Liebessehnsucht, das Edelste, was ich meiner Natur nach zu empfinden vermochte, wieder Anderes sein, als das Verlangen nach dem Hinschwinden aus der Gegenwart, nach dem Ersterben in einem Elemente unendlicher, irdisch unvorhandener Liebe, wie es nur mit dem Tode erreichbar schien? Was war aber dennoch im Grunde dieses Verlangen Anderes, als die Sehnsucht der Liebe, und zwar der wirklichen, aus dem Boden der vollsten Sinnlichkeit entkeimten Liebe, – nur einer Liebe, die sich auf dem ekelhaften Boden der modernen Sinnlichkeit eben nicht befriedigen konnte? – Wie albern müssen mir nun die in moderner Lüderlichkeit geistreich gewordenen Kritiker vorkommen, die meinem »Tannhäuser« eine spezifisch christliche, impotent verhimmelnde Tendenz andichten wollen! Das Gedicht ihrer eigenen Unfähigkeit erkennen sie einzig im Gedichte Dessen, den sie eben nicht begreifen können.
    Ich habe hier die Stimmung genau bezeichnet, in der mir die Gestalt des Tannhäusers mahnend wiederkehrte, und mich zur Vollendung seiner Dichtung antrieb. Es war eine verzehrend üppige Erregtheit, die mir Blut und Nerven in fiebernder Wallung erhielt, als ich die Musik des Tannhäusers entwarf und ausführte. Meine wahre Natur, die mir im Ekel vor der modernen Welt und im Drange nach einem Edleren und Edelsten ganz wiedergekehrt war, umfing wie mit einer heftigen und brünstigen Umarmung die äußersten Gestalten meines Wesens, die beide in einen Strom: höchstes Liebesverlangen, mündeten. – Mit diesem Werke schrieb ich mir mein Todesurtheil: vor der modernen Kunstwelt konnte ich nun nicht mehr auf Leben hoffen. Dieß fühlte ich; aber noch wußte ich es nicht mit voller Klarheit; – dieß Wissen sollte ich mir erst noch gewinnen.
    Zuvörderst habe ich noch mitzutheilen, wie auch durch weitere Erfahrungen von Außen her ich in meiner Richtung bestimmt wurde. – Meine Hoffnungen auf schnelle Erfolge durch Verbreitung meiner Opern auf deutschen Theatern blieben durchaus unerfüllt; von den bedeutendsten Direktionen wurden mir meine Partituren – oft sogar im uneröffneten Pakete – ohne Annahme zurückgeschickt. Nur durch große Bemühungen persönlicher Freundschaft gelang es, in Hamburg den Rienzi zur Aufführung zu bringen: ein durchaus ungeeigneter Sänger verdarb die Hauptpartie, und der Direktor sah sich, bei einem mühsam aufrecht erhaltenen, ungenügenden Erfolge, in seinen ihm erregten Hoffnungen getäuscht. Ich ersah dort zu meinem Erstaunen, daß selbst dieser »Rienzi« den Leuten zu hoch gegeben war. Mag ich selbst jetzt noch so kalt auf dieses mein früheres Werk zurückblicken, so muß ich doch Eines in ihm gelten lassen, den jugendlichen, heroisch gestimmten Enthusiasmus, der ihn durchweht. Unser Publikum hat sich aber an den Meisterwerken der modernen Opernmachkunst gewöhnt, Stoff zu Theaterenthusiasmus sich aus etwas ganz Anderem herauszufinden, als aus der Grundstimmung eines dramatischen Werkes. In Dresden half mir etwas anderes auf, nämlich das rein sinnliche Ungestüm der Erscheinung, die dort unter Umständen, die in diesem Bezuge glücklich waren, und namentlich durch den Glanz der Mittel und des Naturell's des Hauptsängers, in berauschender Weise auf das Publikum wirkte. – Hiergegen machte ich wieder andere Erfahrungen mit dem »fliegenden Holländer«. Bereits hatte der alte Meister Spohr diese Oper schnell in Kassel zur Aufführung gebracht. Dieß war ohne Aufforderung meiner Seits geschehen; dennoch fürchtete ich, Spohr fremd bleiben zu müssen, weil ich nicht einzusehen vermochte, wie meine jugendliche Richtung sich zu seinem Geschmacke verhalten könnte. Wie war ich erstaunt und freudig überrascht, als dieser graue, von der modernen Musikwelt schroff und kalt sich abscheidende, ehrwürdige Meister in einem Briefe seine volle Sympathie mir kundthat, und diese einfach durch die innige Freude erklärte, einem jungen Künstler zu begegnen, dem man es in Allem ansähe, daß es ihm um die Kunst Ernst sei! Spohr, der Greis, blieb der einzige deutsche Kapellmeister, der mit warmer Liebe mich aufnahm, meine Arbeiten nach Kräften pflegte, und unter allen Umständen mir treu und freundlich gesinnt blieb. – Auch in Berlin kam nun der fliegende Holländer zur Aufführung; ich erhielt keinen Grund zu einer

Weitere Kostenlose Bücher