Auswahl seiner Schriften
Darstellung, wie er in der betreffenden Scene des »Parsifal« von unseren künstlerischen Freundinnen ausgeübt wurde, je sonst wo schon zur Wirkung kam.
Was hier als Zauber wirkte, nun als Weihe die ganze Aufführung des Bühnenfestspieles durchdringen zu lassen, wurde im Verlaufe der Übungen und Vorstellungen zur angelegentlichsten Sorge Aller, und welchen ungewohnten Stylanforderungen hierbei zu genügen war, wird bald ersichtlich, wenn das stark-Leidenschaftliche, Rauhe, ja Wilde, was in einzelnen Theilen des Drama's zum Ausdruck kommen sollte, seinem wahren Charakter nach sich nicht verleugnen durfte. Welche schwierige Aufgabe den Darstellern der Hauptpersonen der Handlung dadurch gestellt war, leuchtete uns immer mehr ein. Vor Allem war hier auf größte Deutlichkeit, und zwar zunächst der Sprache, zu halten: eine leidenschaftliche Phrase muß verwirrend und kann abstoßend wirken, wenn ihr logischer Gehalt unerfaßt bleibt; um diesen von uns mühelos aufnehmen zu lassen, muß aber die kleinste Partikel der Wortreihe sofort deutlich verstanden werden können: eine fallen gelassene Vorschlag-, eine verschluckte End-, eine vernachlässigte Verbindungs-Silbe zerstört sogleich diese nöthige Verständlichkeit. Diese selbe Vernachlässigung trägt sich aber unmittelbar auch auf die Melodie über, in welcher durch das Verschwinden der musikalischen Partikeln nur vereinzelte Akzente übrig bleiben, welche, je leidenschaftlicher die Phrase ist, schließlich als bloße Stimm-Aufstöße vernehmbar werden, von deren sonderbarer, ja lächerlicher Wirkung wir einen deutlichen Eindruck erhalten, wenn sie aus einiger Entfernung zu uns dringen, wo dann von den verbindenden Partikeln gar nichts mehr vernommen wird. Wenn in diesem Sinne schon bei dem Studium der Nibelungen-Stücke vor sechs Jahren dringend empfohlen worden war, den »kleinen« Noten vor den »großen« den Vorzug zu geben, so geschah dieß um jener Deutlichkeit willen, ohne welche Drama wie Musik, Rede wie Melodie, gleich unverständlich bleiben, und diese dagegen dem trivialen Opernaffekte aufgeopfert werden, durch dessen Anwendung auf meine dramatische Melodie eben die Konfusion im Urtheile unserer musikalischen sogenannten »öffentlichen Meinung« hervorgerufen wird, die wir auf keinem anderen Wege aufklären können als durch jene von mir so unerläßlich verlangte Deutlichkeit. Hierzu gehört aber gänzliches Aufgeben des durch die gerügte Vortragsweise geförderten, falschen Affektes.
Das alles Maaß überschreitende Gewaltsame in den Ausbrüchen schmerzlichster Leidenschaft, das ja dem tieftragischen Stoffe wie zu seiner Entlastung naturgemäß zugehörig ist, kann nur dann seine erschütternde Wirkung hervorbringen, wenn das von ihm überschrittene Maaß eben durchweg als Gesetz der gefühlvollen Kundgebung eingehalten ist. Tiefes Maaß dünkte uns nun am sichersten durch Ausübung einer weisen Sparsamkeit in der Verwendung des Athems, wie der plastischen Bewegung, festgehalten zu werden. Wir mußten bei unseren Übungen der unbeholfensten Vergeudung, zunächst des Athems, deren wir uns meistens im Operngesange schuldig gemacht haben, inne werden, sobald wir dagegen schnell erkannten, was ein einziger wohl vertheilter Athem zu leisten vermochte um einer ganzen Tonreihe, indem er ihren Zusammenhang wahrt, ihren richtigen melodischen, wie logischen Sinn zu geben oder zu belassen. Schon allein durch weise Einhaltung und Vertheilung der Kraft des Athems sahen wir es uns, wie ganz natürlich, erleichtert, den gewöhnlich tiefer gelegten, von mir sogenannten »kleinen« Noten, als wichtigen Verbindungs-Partikeln der Rede wie der Melodie, ihr Recht widerfahren zu lassen, weil wir auf dem von selbst sich heraushebenden höheren Tone einer unnützen Athem-Verschwendung uns enthalten mußten, um des Vortheiles der Einigung der ganzen Phrase vermöge der gleichen Respiration uns bewußt zu bleiben. So gelang es uns, lange melodische Linien undurchbrochen einzuhalten, obgleich in ihnen die empfindungsvollsten Akzente in mannigfaltigster Färbung wechselten, – wofür ich die längere Erzählung Kundry's vom Schicksale Herzeleide's im zweiten Aufzuge, sowie die Beschreibung des Charfreitags-Zaubers durch Gurnemanz im dritten Aufzuge als beredte Beispiele unseren Zuhörern zurückrufe.
In genauem Zusammenhange mit dem durch weise Sparsamkeit bei der Ausnutzung des Athems gewonnenen Vortheile der wirksamen Verständlichkeit der dramatischen Melodie, erkannten
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