Auswahl seiner Schriften
meinem Werke seht Ihr mich wieder!
Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth 1882
Anmerkung des Herausgebers: 13) Die Schrift erschien ursprünglich als Artikel in den »Bayreuther Blättern«, letztes Stück des Jahres 1882. – Sie enthält genaue Vorschriften für den neuen dramatischen Darstellungsstil, an dessen allmählicher Verwirklichung die Bayreuther Bühne seit nunmehr dreißig Jahren unermüdlich arbeitet und von dem keine noch so gelungene Opernaufführung die entfernteste Vorstellung zu geben vermag.
Wenn unsere heutigen Kirchweihfeste hauptsächlich durch die hierbei abgehaltenen, nach ihnen sich benennenden, sogenannten »Kirmes-Schmäuse« beliebt und anziehend geblieben sind, so glaubte ich das mystisch bedeutsame Liebesmahl meiner Gralsritter dem heutigen Opernpublikum nicht anders vorführen zu dürfen, als wenn ich das Bühnenfestspielhaus dießmal zur Darstellung eines solchen erhabenen Vorganges besonders geweiht mir dachte. Fanden hieran konvertirte Juden, von denen mir christlicherseits versichert wurde, daß sie die unduldsamsten Katholiken abgäben, vorgeblichen Anstoß, so hatte ich mich dagegen allen denen nicht weiter hierüber zu erklären, welche im Sommer dieses Jahres zur Aufführung meines Werkes sich um mich versammelten. Wer mit richtigem Sinne und Blicke den Hergang alles Dessen, was während jener beiden Monate in den Räumen dieses Bühnenfestspielhauses sich zutrug, dem Charakter der hierin sich geltend machenden produktiven wie rezeptiven Thätigkeit gemäß zu erfassen vermochte, konnte dieß nicht anders als mit der Wirkung einer Weihe bezeichnen, welche, ohne irgend eine Weisung, frei über Alles sich ergoß. Geübte Theaterleiter fragen mich nach der, bis für das geringste Erforderniß jedenfalls auf das Genaueste organisirten, Regierungsgewalt, welche die so erstaunlich sichere Ausführung aller scenischen, musikalischen wie dramatischen Vorgänge auf, über, unter, hinter und vor der Bühne leitete; worauf ich gutgelaunt erwidern konnte, daß dieß die Anarchie leiste, indem ein Jeder thäte, was er wolle, nämlich das Richtige. Gewiß war es so: ein Jeder verstand das Ganze und den Zweck der erstrebten Wirkung des Ganzen. Keiner glaubte sich zu viel zugemuthet. Niemand zu wenig sich geboten. Jedem war das Gelingen wichtiger als der Beifall, welchen in der gewohnten mißbräuchlichen Weise vom Publikum entgegenzunehmen als störend erachtet wurde, während die andauernde Theilnahme der uns zuziehenden Gäste als Zeugniß für die Richtigkeit unserer Annahme von dem wahren Werthe unserer Leistungen uns erfreuete. Ermüdung kannten wir nicht; von dem Eindrucke eines fast beständig trüben und regnerischen Wetters auf unsere Stimmung erklärte ein Jeder sofort sich befreit, sobald er im Bühnenhause an das Werk ging. Fühlte sich der Urheber aller der Mühen, die er seinen freundlichen Kunstgenossen übertragen hatte, oft von der Vorstellung einer unausbleiblich dünkenden Ermüdung beschwert, so benahm ihm schnell die mit jubelnder Laune gegebene Versicherung der heitersten Rüstigkeit Aller jede drückende Empfindung.
Rangstreitigkeiten konnten unmöglich da aufkommen, wo sechs Sängerinnen sogenannter erster Fächer die unbenannten Führerinnen der Blumenmädchen Klingsor's übernommen hatten, zu welchen sich wiederum Sängerinnen aller Fächer mit freudigster Willigkeit verwenden ließen. Gewiß, – hätte es in Wahrheit erst eines Beispieles für die Darsteller der ersten Partien bedurft, so wäre ihnen dieses von dem künstlerischen Einmuthe der Leistungen jener Zauberblumen-Mädchen gegeben worden. Von ihnen wurde mir zunächst auch eine der wichtigsten Anforderungen erfüllt, welche ich zur ersten Grundlage des richtigen Gelingens ihres Vortrages machen mußte: der vom Operngesange unserer Zeit den Sängern der heutigen Theater zu eigen gewordene leidenschaftliche Akzent, durch welchen jede melodische Linie unterschiedslos durchbrochen zu werden pflegt, sollte hier durchaus nicht mehr sich vernehmen lassen. Sogleich ward ich von unseren Freundinnen verstanden, und alsbald gewann ihr Vortrag der schmeichelnden Weisen das kindlich Naive, welchem, wie es andererseits durch einen unvergleichlichen Wohllaut rührte, ein aufreizendes Element sinnlicher Verführung, wie es von gewissen Seiten als vom Komponisten verwendet vorausgesetzt wurde, gänzlich fern abliegen blieb. Ich glaube nicht, daß ein ähnlicher Zauber des anmuthigst Mädchenhaften durch Gesang und
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