Auswahl seiner Schriften
»Siegfried's Tod« war, wie ich jetzt erst ersehe, nur der erste Versuch gewesen, einen wichtigsten Moment dieses Mythos' zur dramatischen Darstellung zu bringen; unwillkürlich hatte ich mich bemühen müssen, in diesem Drama eine Fülle großer Beziehungen anzudeuten , um den gegebenen Moment nach seinem stärksten Inhalte begreifen zu lassen. Diese Andeutungen konnten natürlich aber nur in epischer Form dem Drama eingefügt sein, und hier war der Punkt, der mich mit Mißtrauen gegen die Wirkungsfähigkeit meines Drama's im richtigen Sinne einer scenischen Darstellung erfüllte. Von diesem Gefühle gepeinigt gerieth ich darauf, einen ungemein ansprechenden Theil des Mythos', der eben in »Siegfried's Tod« nur erzählungsweise hatte mitgetheilt werden können, selbständig als Drama auszuführen. Vor Allem war es aber eben der Stoff selbst wiederum, der mich so lebhaft zu seiner dramatischen Bildung anregte, daß es nur noch Liszt's Aufforderung bedurfte, um mit Blitzesschnelle den »jungen Siegfried«, den Gewinner des Hortes und Erwecker der Brünnhilde, in das Dasein zu rufen.
Wiederum mußte ich nun jedoch an diesem »jungen Siegfried« dieselbe Erfahrung machen, wie sie ähnlich zuvor mir »Siegfried's Tod« zugeführt hatte: je reicher und vollständiger durch ihn meine Absicht mitzutheilen ich in Stand gesetzt worden war, desto drängender mußte ich, gerade um dieser wachsenden Fülle wegen, empfinden, daß auch mit diesen beiden Dramen mein Mythos noch nicht vollständig in die Sinnlichkeit des Drama's aufgegangen war, sondern daß Beziehungen von der entscheidendsten Wichtigkeit außerhalb der wirklichen dramatischen Darstellung unversinnlicht gelassen, und der reflektirenden Kombination des Zuschauers allein zugewiesen geblieben waren. Daß aber diese Beziehungen, dem einzigen Charakter des ächten Mythos' gemäß, von der Beschaffenheit waren, daß sie nur in wirklichen sinnlichen Handlungsmomenten sich aussprachen, somit in Momenten, die allein verständlich immer nur im Drama darzustellen sind, – dieß hat mich endlich, da ich zu meinem Entzücken dieser Eigenschaft inne ward, die wahrhaft entsprechende vollendete Form für die Kundgebung meiner umfassenden dichterischen Absicht finden lassen.
Die Herstellung dieser Form vermag ich jetzt nun meinen Freunden als den Inhalt des Vorhabens, dem ich mich fortan einzig zuwende, hiermit anzukündigen.
Ich beabsichtige meinen Mythos in drei vollständigen Dramen [Fußnote: Ich schreibe keine Opern mehr: da ich keinen willkürlichen Namen für meine Arbeiten erfinden will, so nenne ich sie Dramen, weil hiermit wenigstens am deutlichsten der Standpunkt bezeichnet wird, von dem aus Das, was ich biete, empfangen werden muß.] vorzuführen, denen ein großes Vorspiel vorauszugehen hat. Mit diesen Dramen, obgleich jedes von ihnen allerdings ein in sich abgeschlossenes Ganzes bilden soll, habe ich dennoch keine »Repertoirstücke« nach den modernen Theaterbegriffen im Sinne, sondern für ihre Darstellung halte ich folgenden Plan fest: –
An einem eigens dazu bestimmten Feste gedenke ich dereinst im Laufe dreier Tage mit einem Vorabende jene drei Dramen nebst dem Vorspiele aufzuführen: den Zweck dieser Aufführung erachte ich für vollkommen erreicht, wenn es mir und meinen künstlerischen Genossen, den wirklichen Darstellern, gelang, an diesen vier Abenden den Zuschauern, die um meine Absicht kennen zu lernen sich versammelten, diese Absicht zu wirklichem Gefühls- (nicht kritischem) Verständnisse künstlerisch mitzutheilen. Eine weitere Folge ist mir ebenso gleichgiltig, als sie mir überflüssig erscheinen muß. –
Aus diesem Plane für die Darstellung vermag nun auch jeder meiner Freunde die Beschaffenheit meines Planes für die dichterische und musikalische Ausführung zu entnehmen, und Jeder, der ihn billigen kann, wird zunächst mit mir auch gänzlich unbekümmert darum sein, wie und wann dieser Plan sich dereinst vor der Öffentlichkeit verwirklichen solle, da er das Eine wenigstens begreifen wird, daß ich bei diesem Unternehmen nichts mehr mit unserem heutigen Theater zu thun habe. Wenn meine Freunde diese Gewißheit fest in sich aufnehmen, so gerathen sie dann mit mir endlich wohl auch darauf, wie und unter welchen Umständen ein Plan, wie der genannte, ausgeführt werden könne, und – vielleicht erwächst so mir auch ihre einzig ermöglichende Hilfe dazu. –
Nun denn, ich gebe Euch Zeit und Muße, darüber nachzudenken: – denn nur mit
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