Auswahl seiner Schriften
tief gefühltes Wort des Dankes und des Abschiedes aufzuschreiben schien mir zu nüchtern; ich begnügte mich, meinen Hut zu ergreifen, vor Beethoven hinzutreten, und ihn in meinem Blicke lesen zu lassen, was in mir vorging.
Er schien mich zu verstehen. »Sie wollen fort?« frug er. »Werden Sie noch einige Zeit in Wien bleiben?«
Ich schrieb ihm auf, daß ich mit dieser Reise nichts beabsichtigt hätte, als ihn kennen zu lernen; daß, da er mich gewürdigt habe, mir eine so außerordentliche Aufnahme zu gewähren, ich überglücklich sei, mein Ziel als erreicht anzusehen, und morgen wieder zurückwandern würde.
Lächelnd erwiderte er: »Sie haben mir geschrieben, auf welche Art Sie sich das Geld zu dieser Reise verschafft haben: – Sie sollten in Wien bleiben und Galopps machen, – hier gilt die Waare viel.«
Ich erklärte, daß es für mich nun damit aus sei, da ich nichts wüßte, was mir wieder eines ähnlichen Opfers werth erscheinen könnte.
»Nun, nun!« entgegnete er, »das findet sich! Ich alter Narr würde es auch besser haben, wenn ich Galopps machte; wie ich es bis jetzt treibe, werde ich immer darben. – Reisen Sie glücklich,« – fuhr er fort – »gedenken Sie mein, und trösten Sie sich in allen Widerwärtigkeiten mit mir.«
Gerührt und mit Thränen in den Augen wollte ich mich empfehlen, da rief er mir noch zu: »Halt! Fertigen wir den musikalischen Engländer ab! Laßt sehen, wo die Kreuze hinkommen sollen!«
Damit ergriff er das Musikheft des Britten, und sah es lächelnd flüchtig durch; sodann legte er es sorgfältig wieder zusammen, schlug es in einen Bogen Papier ein, ergriff eine dicke Notenfeder und zeichnete ein kolossales Kreuz quer über den ganzen Umschlag. Darauf überreichte er es mir mit den Worten: »Stellen Sie dem Glücklichen gefälligst sein Meisterwerk zu! Er ist ein Esel, und doch beneide ich ihn um seine langen Ohren! – – Leben Sie wohl, mein Lieber, und behalten Sie mich lieb!«
Somit entließ er mich. Erschüttert verließ ich sein Zimmer und das Haus.
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Im Hôtel traf ich den Bedienten des Engländers an, wie er die Koffer seines Herrn im Reisewagen zurecht packte. Also auch sein Ziel war erreicht; ich mußte gestehen, daß auch er Ausdauer bewiesen hatte. Ich eilte in mein Zimmer, und machte mich ebenfalls fertig, mit dem morgenden Tage meine Fußwanderschaft zurück anzutreten. Laut mußte ich auflachen, als ich das Kreuz auf dem Umschlage der Komposition des Engländers betrachtete. Dennoch war dieses Kreuz ein Andenken Beethoven's, und ich gönnte es dem bösen Dämon meiner Pilgerfahrt nicht. Schnell war mein Entschluß gefaßt. Ich nahm den Umschlag ab, suchte meine Galopps hervor, und schlug sie in diese verdammende Hülle ein. Dem Engländer ließ ich seine Komposition ohne Umschlag zustellen, und begleitete sie mit einem Briefchen, in welchem ich ihm meldete, daß Beethoven ihn beneide und erklärt habe, nicht zu wissen, wo er da ein Kreuz anbringen solle.
Als ich den Gasthof verließ, sah ich meinen unseligen Genossen in den Wagen steigen.
»Leben Sie wohl!« rief er mir zu. »Sie haben mir große Dienste geleistet. Es ist mir lieb, Herrn Beethoven kennen gelernt zu haben. – Wollen Sie mit mir nach Italien?«
»Was suchen Sie dort?« – frug ich dagegen.
»Ich will Herrn Rossini kennen lernen, denn er ist ein sehr berühmter Komponist.«
»Glück zu!« – rief ich. – »Ich kenne Beethoven; für mein Leben habe ich somit genug!«
Wir trennten uns. Ich warf noch einen schmachtenden Blick nach Beethoven's Haus, und wanderte dem Norden zu, in meinem Herzen erhoben und veredelt.
Anmerkung des Herausgebers: 16) »Ich glaube an Gott, Mozart und Beethoven...« – Mit diesem Bekenntnis auf den Lippen stirbt Wagners »deutscher Musiker in Paris« (»Ein Ende in Paris«, G. S. u. D., I, 114ff.); ihn selbst hat solcher Glaube durch sein ganzes Leben geleitet. Von seinem siebzehnten Lebensjahre, wo der damalige Leipziger Musikdirektor Dorn von ihm sagt: »ich zweifle, daß es zu irgendwelcher Zeit einen jungen Tonsetzer gegeben, der mit Beethovens Werken vertrauter gewesen wäre« (Gl. I, S. 121), und wo er seine Nächte über dem Anfertigen von Kopien Beethoven'scher Symphonien zubrachte (vergl. auch S. 226), bis zu seinem siebzigsten und letzten Lebensjahre, aus dem noch Hans von Wolzogen uns berichtet, wie er in Wahnfried immer wieder besonders Beethovens Quartette »zur idealischen Erholung« sich vorspielen zu lassen pflegte (das
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