Auswahl seiner Schriften
wertvolle kleine Büchlein Wolzogens »Erinnerungen an Richard Wagner« ist in Reklams Universalbibliothek unter Nr. 2831 erschienen) – in diesem ganzen Zeitraume gibt es keine Epoche seines Lebens, die nicht Denkmale seiner unbegrenzten Bewunderung, Liebe und Verehrung besonders für Beethoven, aber auch für Mozart uns hinterlassen hätte. Und erzählt man nicht trotzdem immer wieder von der »Arroganz Wagners«, die ihn alle großen Meister der Vergangenheit verachten ließ? Möge dies eine unter hundert Beispielen bald dem deutschen Volke die Augen darüber öffnen, daß alles, was als solche »allgemein bekannte Tatsache« im »Publikum« über Wagner sich ausgebreitet hat, aus der Quelle desselben Lügengeistes unserer »Presse« stammend, immer das gerade Gegenteil der Wahrheit ist. (Zu Wagners Verhältnis zu Beethoven vergl. in diesem Bündchen auch S. 225 ff., in den »Gesammelten Schriften und Dichtungen« vor allem die oben bereits erwähnte wunderbare Festschrift »Beethoven« – doch gibt es kaum eine Schrift Wagners, aus der sich nicht für dieses Verhältnis Belege fänden. Die herrlichsten Aussprüche über Mozart, Weber, Bach, Palestrina u. s. w. findet man vor allem in den ästhetischen Schriften.)
Ein glücklicher Abend
Anmerkung des Herausgebers: 17) Dieses Stück ist wie das vorhergehende aus der Reihe der Pariser »Novellen und Aufsätze«: »Ein deutscher Musiker in Paris« (vergl. Anm. 14).
So will ich diese letzte Aufzeichnung aus früherer Erinnerung an meinen Freund benennen, welche ich der Mittheilung einiger größeren Aufsätze aus der Hinterlassenschaft des Verstorbenen noch voranstelle, da ich diese hiermit zugleich auf das Schicklichste einzuleiten glaube.
Es war ein schöner Frühlingsabend, schon kündigte sich die Hitze des Sommers in dem wohllüstig warmen Hauche an, der wie ein brünstiger Liebesseufzer durch die Lüfte zu uns drang und unsere Sinne berauschte. Wir waren dem Strome der Menge gefolgt, die sich nach dem öffentlichen Garten drängte, ein wackeres Musikcorps eröffnete an diesem Abend die Reihe der Konzerte, die es den Sommer über dort zu geben pflegte. Es war ein Fest. Mein damals noch nicht in Paris verstorbener Freund R ... schwamm in seliger Wonne; – noch ehe das Konzert begonnen, war er schon von lauter Musik berauscht, und er behauptete, dieß sei die innere Musik, die in ihm immer tönte und klänge, wenn er an schönen Frühlingsabenden sich glücklich fühlte.
Wir gelangten an, und nahmen an einem Tische unter einer großen Eiche unsern gewöhnlichen Platz ein, denn wohlangestellte Beobachtungen hatten uns belehrt, daß dieser Platz nicht nur der von der müßigen Menge entfernteste sei, sondern daß man von ihm aus auch besonders den Vorzug habe, die Musik am besten und deutlichsten vernehmen zu können. Von jeher hatten wir die Unglücklichen bedauert, die sowohl in Gärten als in Sälen genöthigt waren, oder es wohl gar vorgezogen, in der unmittelbaren Nähe des Orchesters zu verweilen; wir vermochten gar nicht zu begreifen, wie es ihnen Freude machen konnte, die Musik zu sehen, anstatt zu hören; denn anders konnten wir uns die Gespanntheit nicht deuten, mit der sie unverwandt und starr den verschiedenartigen Bewegungen der Musiker zusahen, besonders aber mit begeisterter Theilnahme den Paukenschläger betrachteten, wenn er nach den mit umsichtiger Ängstlichkeit abgezählten Pausen sich endlich zu einer erschütternden Mitwirkung anließ. Wir waren darin übereingekommen, daß es nichts Prosaischeres und Herabstimmenderes gebe, als den Anblick der gräulich aufgeblasenen Backen und verzerrten Physiognomien der Bläser, des unästhetischen Bekrabbelns der Contrabässe und Violoncelle, ja selbst des langweiligen Hinundherziehens der Violinbögen, wenn es sich darum handelt, der Ausführung einer schönen Instrumentalmusik zu lauschen. Aus diesem Grunde hatten wir uns so placirt, daß wir die leiseste Nüance im Vortrage des Orchesters hören konnten, ohne daß uns der Anblick desselben hätte stören müssen.
Das Konzert begann: man spielte vieles Schöne, unter anderen die Symphonie von Mozart in Es , und die von Beethoven in A .
Das Konzert war zu Ende. Stumm, aber lächelnd und selig, saß mein Freund mit verschränkten Armen mir gegenüber. Die Menge entfernte sich nach und nach mit gemächlichem Geräusch; hie und da blieben noch einzelne Tische mit Gästen besetzt. Die laue Wärme des Abends begann dem kältern Nachthauche zu
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