Ausweichmanöver (German Edition)
Mund.
„Es ficht mich an.“
Ich verstand ihn nicht.
„Oh, Mann, es geht mir nahe. Rumalbern hilft.“
Ich klopfte ihm auf die Schulter, setzte zu einer aufmunternden Bemerkung an und schwieg dann doch lieber. Was sollte ich sagen? Es war doch immer das gleiche. Am besten, man dachte gar nicht darüber nach. Schuldig. Unschuldig. Täter. Opfer. Wie nahe liegt das beieinander.
„Sie trifft keine Schuld.“
Von wegen.
Was heißt hier treffen? Sie musste mich nicht erst treffen. Die Schuld saß tief in mir drin, sitzt da immer noch.
„Technisches Versagen hat den Tod Ihrer Frau verursacht. Das ist Zufall, Schicksal, wenn Sie so wollen.“
Verdammt recht hatte er gehabt, der Ermittlungsrichter.
Technisches Versagen, gekoppelt mit Schicksal.
Das Schicksal war ich. Ich hatte Schicksal gespielt an jenem Mittwoch auf dem Hamburger Dom.
Familientag. Elke fuhr gern Autoscooter oder Walzerbahn, aber sie hasste alles, was sie in die Luft hob. Trotzdem ist sie mitgefahren, im Kettenkarussell. Mir zuliebe. Wir haben uns an den Händen gehalten, von einem Sitz zum anderen. Mit der anderen Hand hat sie sich festgeklammert, an der Kette. Ich habe gespürt, wie stark ihr Herz vor Angst geklopft hat, bevor wir losgefahren sind. Gelacht habe ich darüber. Es ging immer höher hinauf, wir kreisten über allen Buden, nur den Himmel über uns, ameisenwinzige Menschen unter uns.
Dann ist ihr Sitz einfach weggeflogen, hat sich losgerissen oben an der Befestigung. Ich hatte sie nicht mal schreien hören.
Ich wischte die Bilder, die danach kommen würden, weg, wollte sie nicht sehen, nicht noch einmal, nicht jetzt.
Hätte ich sie nicht überredet, wäre sie nie in dieses Gefährt gestiegen.
Nie.
Ich, das Schicksal.
Kofi rempelte mich an. „Guck mal, da.“
„Was?“
„Frau Fleck.“
„Ganz schön mutig.“ Ich betrachtete sie, dunkles Kostüm, dezenter Hut, zu hohe Absätze. Sie stand, in sich gekehrt, vor dem Rondell.
„Sollen wir sie ansprechen?“ Kofi trat unruhig von einem Bein aufs andere.
„Ich glaube, da kommt uns gerade jemand zuvor.“
Ein Mann, Mitte vierzig, schlaksig, stark gebräunt, näherte sich ihr zielstrebig. „Was wollen Sie hier?“ Seine Stimme grollte über den ganzen Hof.
Frau Fleck ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe Blumen gebracht, und jetzt bete ich für die Opfer.“
Der Mann stand nun ganz nahe vor ihr, schaute von oben auf sie herab. „Sie beten für die Opfer?“ Er kiekste vor Aufregung. „Passen Sie bloß auf, dass Sie nicht für Ihren Sohn beten müssen.“
Kofi und ich standen nun rechts und links neben Frau Fleck. Ich wartete darauf, dass Kofi etwas sagte. Doch der schwieg. Der Mann schaute von mir zu ihm. „Mischen Sie sich nicht ein.“
Ich zückte meine Karte. „Sie beruhigen sich jetzt und belästigen die Dame nicht.“
Er wich nicht zurück. „Dame!“, brüllte er. „Belästigen?“ Er spuckte auf den Boden, direkt neben die Füße von Frau Fleck. Sie schloss die Augen. Er schrie weiter: „Fangen Sie den Scheißkerl endlich ein.“
Da er mit den Armen herumwedelte, als wollte er zuschlagen, hob ich meinen Arm zur Abwehr. Jetzt wich er zurück.
„Schon gut. Keine Angst. Ihnen tue ich nichts, aber wenn ich den Scheißkerl vor Ihnen erwische, garantiere ich für nichts.“
Frau Fleck war weiß wie Magerquark. Wir hatten sie gerade zu ihrem Auto begleitet, als die Dienststelle durchrief.
„Wir müssen zurück, McAllister hat sich angesagt.“
„Der Ministerpräsident? Cool.“
„Er kommt nicht, um bei Stiebel Eltron eine neue Halle einzuweihen. Los, lass uns abhauen.“
Nach der Einsatzbesprechung winkte mich Mausig zu sich. „Herr Ollner, ich möchte Sie um einen kleinen Gefallen bitten, würden Sie mich wohl in mein Büro begleiten?“
Meine Gedanken rasten. Einen Gefallen? Was sollte das sein? Dann fiel mir seine Bemerkung über Rechtsanwalt Fleck ein. Wie hatte er sich ausgedrückt? Bekannt, nicht befreundet.
Mausig hielt mir die Tür auf, ließ mich eintreten und schloss sie dann sorgfältig, bevor er mir mit einer Handbewegung einen Platz anbot und sich selbst hinter den Schreibtisch setzte.
Er räusperte sich. „Wie lange sind Sie jetzt bei uns? Sieben Monate?“
Small Talk? Konnte er haben. „Fast acht, in einer Woche.“
„Sie haben sich eingelebt? Herr Kayi unterstützt Sie, nehme ich an?“
Komplette Sätze, er konnte vollständige Sätze sagen. „Ja, alles in Ordnung.“
„Gut, sehr gut. Ich habe auch den
Weitere Kostenlose Bücher