Ausweichmanöver (German Edition)
würde.
Er verließ das Zimmer, ohne noch etwas zu tun oder zu sagen.
22
Ich erwachte wie immer Sekunden vor dem Weckerklingeln. Ich drückte ihn aus und schaltete das Radio ein, das mich direkt in Steffis Schlemmerbistro versetzte. Warum mussten die immer so nuscheln? Oder lag das an meinen Ohren? Ausgerechnet, wenn die Pointe kam, verstand ich kein Wort.
Egal! Ich rollte mich aus dem Bett und stratzte unter die Dusche. Shampoo aufgebraucht, okay, selbst mit Ausspülen kam nichts Schäumendes mehr heraus. Ich angelte nach der Seife am Waschbecken. Das ging ja auch.
Seit ich so eine Pad-Kaffeemaschine hatte, konnte ich vor dem Duschen nicht mehr vergessen, Kaffee aufzusetzen. Ich schmeckte keinen Unterschied, und es blieb mir erspart, eine Filtertüte auszuwaschen, weil ich keine neuen gekauft hatte. Dass Papiertaschentücher genauso wenig funktionierten wie Küchenrollen, hatte ich bereits in der ersten Woche in meiner neuen Wohnung gelernt. Trial und Error. Wobei mich der Error fast meine Kaffeemaschine gekostet hatte.
Ich war es einfach nicht gewohnt, einkaufen zu gehen. Obwohl Elke schon mehr als ein Jahr tot war, fehlte mir immer wieder etwas Grundlegendes. Wollte ich mir was kochen, hatte ich zwar die Steaks mitgebracht, aber kein Öl, um sie zu braten. Bereitete ich mir einen Tomatensalat zu, hatte ich Tomaten, Salz und Pfeffer, aber keine Zwiebeln. Da half es auch nichts, wenn ich mir einen Einkaufszettel machte.
Ach, Elke.
Ich war selbst schuld. Aufhören!
Während der Kaffee durch das Pad blubberte, briet ich mir zwei Spiegeleier. Mit dem „Täglichen Anzeiger“ setzte ich mich auf meinen Minibalkon. Eigentlich wollte ich den Tag in Ruhe beginnen, doch die Überschriften schrien mir unseren Fall ins Gesicht. Dem konnte man nicht entkommen.
Eingehend betrachtete ich die Fotos der beiden getöteten Jugendlichen. Attraktiv und unternehmungslustig sahen sie aus. Ich musste schlucken. Das führte zu nichts. Kannte ich die beiden? Hatte ich sie auf dem Festival gesehen?
Eher nicht.
Auf dem kleinen Foto. Der Slawe von Titanick und der Rothaarige, den ich zusammen mit Käppi-verkehrt-herum-auf im Kauffmannsgarten beobachtet hatte. Der eine hatte einen Streifschuss in den Oberarm abbekommen.
Wie hieß der? Valentin Shekovietz, also doch slawischer Abstammung. Und der andere? Gordon Willig. Das sagte mir nichts.
Ich holte mir den Kaffee und brachte das schnurlose Telefon mit. Wenn ich Glück hatte, konnte mir Frau Stellmacher ein paar Fragen beantworten.
Frau Fiedler ging beim zweiten Klingeln dran. Eine gute Sekretärin wusste oft mehr als die Schulleiterin. Nachdem ich mich in Erinnerung gebracht hatte, war sie sofort bereit, mich zu unterstützen.
„Valentin ist letztes Jahr fast sitzen geblieben. Er ist im Schülerrat und eng befreundet, Sie wissen schon, mit Michelle und Philip, die sind in einem Jahrgang. Die sind alle im LK Deutsch.“
„Gordon auch?“
„Ja, ja, Gordon gehört auch zu dieser Truppe. Alles nette Kinder, wirklich.“
„Können Sie sich an einen Schüler erinnern, der oft einen Fotoapparat dabeihat?“
„Das kann nur Lars Asmus sein. Seine Schwester Nora ist auch bei uns, in der Zehnten.“ Ich hörte Tippgeräusche im Hintergrund. „Genau, in der Zehnten von Frau Bergmann.“
„Jetzt sagen Sie mir bloß noch, dass Timo Fleck auch zu dieser Gruppe gehört.“
„Natürlich. Ich glaube, der hatte damals sogar die Idee, na ja, und er hat auch kein Problem, das Geld für das Material zu besorgen.“
„Wofür?“ Ich war etwas verwirrt. Hatte ich was verpasst?
„Für die Star Oil Equipe. Sie wissen schon, diese Musikgruppe, so was wie Stomp, nur mit Ölfässern und Besen.“
Jetzt verstand ich. Die T-Shirts, das waren Bandshirts, die Kids gehörten zusammen. Ob es bei dem Streit auf dem Festival um die Band gegangen war? Ich hatte nicht richtig zugehört. Frau Fiedler sprach plötzlich von einem Preis.
„Preis?“, echote ich. „Ja, den ersten und gleich auf Anhieb. So was schweißt zusammen.“
„Ging es um viel Geld?“
„Aber hallo, 2.000 Euro.“
„Das haben sie untereinander aufgeteilt?“
Sie zögerte einen Moment. „Nein, das wollten sie nicht. Sie haben das Geld in die Klassenkasse gegeben, wenn man so will.“
„Was heißt das?“
„Sie haben davon eine Kursfahrt finanziert. Zehn Tage Mallorca all inclusive, bei Lidl gebucht. Jeder hat noch fünfzig Euro eingezahlt, und dafür konnte der ganze Kurs fliegen.“
„Wann war
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